Die Weisheit des Feuers
ihn in den Bärenmagen fallen. Heißer Dampf schoss auf, sobald der Stein mit dem Wasser in Berührung kam. Er beförderte zwei weitere Steine in den Magen, die das Wasser zum Kochen brachten.
Garzhvog kam herübergestapft und warf zwei Hände Fleisch ins Wasser. Dann würzte er den Eintopf mit einer kräftigen Prise Salz aus dem Beutel an seinem Gürtel sowie mehreren Rosmarinzweigen, Thymian und anderen Kräutern, die er während der Jagd gesammelt hatte. Anschließend schob er einen flachen Stein direkt ans Feuer. Als er heiß war, legte er Fleischstreifen zum Braten darauf.
Während das Essen gar wurde, schnitzten sich Eragon und der Kull Löffel aus dem Holz des Baumstumpfs, auf dem Eragon seinen Rucksack abgestellt hatte.
Vor lauter Hunger kam es ihm viel länger vor, aber es dauerte nur einige Minuten, bis die Mahlzeit fertig war. Sie schlangen das Essen hinunter wie hungrige Wölfe. Eragon stopfte doppelt so viel in sich hinein, wie er jemals auf einmal gegessen hatte. Was er nicht schaffte, verschlang Garzhvog, dessen Portion sechs kräftige Männer satt gemacht hätte.
Nach dem Festschmaus sank Eragon zurück und beobachtete, auf die Ellbogen gestützt, die Glühwürmchen, die zwischen den Buchen durch die Luft schwirrten. Irgendwo schrie eine Eule. Am purpurnen Himmel blinkten die ersten Sterne.
Er dachte erst an Saphira, dann an Arya und dann an beide. Er schloss die Augen, als es hinter seinen Schläfen dumpf zu pochen begann. Dann hörte er ein Knacken, machte die Augen wieder auf und sah, dass Garzhvog sich mit dem spitzen Ende eines abgebrochenen Oberschenkelknochens die Fleischreste zwischen den Zähnen herauskratzte. Eragons Blick wanderte zu den nackten Füßen des Urgals - er hatte sich vor dem Essen die Sandalen ausgezogen -, und er bemerkte überrascht, dass jeder seiner Füße sieben Zehen hatte.
»Wie bei den Zwergen«, sagte er. »Die haben auch sieben Zehen.«
Garzhvog spuckte einen Fleischbatzen ins Feuer. »Das hab ich gar nicht gewusst. Ich hab noch nie einem Zwerg auf die Füße geschaut.«
»Findest du es nicht seltsam, dass Urgals und Zwerge vierzehn Zehen haben, Menschen und Elfen aber nur zehn?«
Garzhvog verzog die wulstigen Lippen. »Zwischen uns und den hornlosen Bergratten gibt es keine Blutsbande, Feuerschwert. Beide Völker haben vierzehn Zehen, na gut. Es gefiel den Göttern so, als sie die Welt erschufen. Eine andere Erklärung gibt es dafür nicht.«
Eragon brummte daraufhin etwas Unverständliches und beobachtete wieder die Glühwürmchen. Nach einer Weile sagte er: »Erzähl mir eine Geschichte, die dein Volk gerne hört, Nar Garzhvog.«
Der Kull überlegte einen Moment, dann nahm er den Knochensplitter aus dem Mund. »Vor langer Zeit lebte eine junge Urgralgra, die Maghara hieß. Ihre Hörner schimmerten wie polierter Stein, das Haar reichte ihr bis zu den Hüften und ihr Lachen konnte die Vögel aus den Bäumen herauslocken. Aber sie war nicht hübsch. Sie war hässlich. In ihrem Dorf, da lebte ein großer Krieger, der bereits viele Feinde im Kampf besiegt und getötet hatte. Aber obwohl er durch seine Heldentaten großes Ansehen erlangt hatte, besaß er noch keine Brutpartnerin. Maghara wünschte sich nichts sehnlicher, als diese Gefährtin für ihn zu sein. Aber weil sie so hässlich war, beachtete der Krieger sie nicht. Und deshalb bemerkte er auch nicht ihre schimmernden Hörner und das lange Haar und hörte nicht ihr liebliches Lachen. Vor lauter Kummer darüber stieg Maghara auf den höchsten Berg im Buckel und rief Rahna um Hilfe an. Rahna ist unsere Große Mutter, die das Weben und die Viehzucht erfand und auf ihrer Flucht vor dem großen Drachen das Beor-Gebirge entstehen ließ. Rahna, die Göttin mit den goldenen Hörnern, erschien und fragte Maghara, weshalb sie sie gerufen habe. ›Mach mich schön, Große Mutter, damit der Gehörnte, den ich will, mich zur Brutpartnerin wählt‹, antwortete Maghara. Und die Göttin entgegnete: ›Du musst nicht schön sein, Maghara. Du hast schimmernde Hörner, langes Haar und ein liebliches Lachen. Damit kannst du einen Krieger für dich gewinnen, der nicht so töricht ist, nur dein Gesicht zu sehen.‹ Da warf Maghara sich zu Boden und rief: ›Ich will aber diesen Gehörnten, sonst kann ich nicht glücklich werden, Große Mutter. Bitte, mach mich schön.‹ Lächelnd entgegnete Rahna: ›Wenn ich dir diesen Gefallen tue, Kind, wie wirst du mich dann entlohnen?‹ Und Maghara antwortete. ›Ich gebe dir alles,
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