Die Weisheit des Feuers
was du willst.‹
Rahna nahm das Angebot an und machte Maghara schön. Als die Urgralgra ins Dorf zurückkehrte, wunderte man sich über ihre plötzliche Schönheit. Mit dem neuen Antlitz wurde Maghara die Brutpartnerin ihres Auserwählten. Die beiden zeugten viele Kinder und lebten sieben Jahre glücklich zusammen. Dann erschien Rahna vor Maghara und sagte: ›Du hast sieben Jahre mit dem Gehörnten verbracht, den du so sehr wolltest. Hast du die Zeit genossen? ‹ Die Urgralgra antwortete: ›Ja, das habe ich.‹ Und Rahna entgegnete: ›Dann fordere ich jetzt den Lohn für meine Mühe.‹ Sie schaute sich in der Steinhütte um, packte Magharas ältesten Sohn und sagte: ›Ich nehme ihn.‹ Maghara flehte die Große Mutter an, ihr nicht den ältesten Sohn zu rauben, doch die Göttin gab nicht nach. Da nahm Maghara die Keule ihres Brutpartners und schlug damit nach Rahna, aber die Keule zersprang in ihren Händen. Als Strafe nahm die Göttin Maghara die Schönheit und verschwand mit ihrem Sohn. Sie gab ihm den Namen Hegraz und machte aus ihm einen der größten Krieger, den diese Welt jemals gesehen hat. Daraus lernen wir, niemals das eigene Schicksal zu bekämpfen, weil man sonst alles verliert, was einem lieb und teuer ist.«
Eragon sah, wie über dem östlichen Horizont die schimmernde Sichel des Mondes aufging. »Erzähl mir von euren Dörfern.«
»Was denn?«
»Irgendwas. Ich bin auf Hunderte von Erinnerungen gestoßen, als ich in deinem Geist war und in dem von Khagra und Otvek. Aber ich kann mich nur an wenige erinnern und das nur bruchstückhaft. Ich möchte sie gerne verstehen.«
»Ich könnte dir vieles erzählen«, brummte Garzhvog. Er fuhr mit dem Knochensplitter um einen seiner Reißzähne und blickte versonnen in die Ferne. »Wir schnitzen die Gesichter der Bergtiere in Holzpfosten und rammen sie vor unseren Hütten in den Boden, um böse Geister fernzuhalten. Manchmal kommen mir die Gesichter fast lebendig vor. Wenn man in eines unserer Dörfer kommt, meint man, ihre Blicke auf sich zu spüren...« Der Knochen zwischen den Fingern des Urgals hielt einen Moment inne, dann setzte er sein ruckartiges Auf und Ab fort. »Über den Eingang unserer Hütten hängen wir das Namna, einen handbreiten Stoffstreifen. Die eingewebten farbigen Muster erzählen die Geschichte der Familie, die in der Hütte wohnt. Nur unsere ältesten und geschicktesten Weber dürfen ein Namna ergänzen oder ausbessern, falls es beschädigt wurde.« Der Knochensplitter verschwand in Garzhvogs Faust. »Wer einen Brutpartner hat, knüpft mit ihm in den Wintermonaten an dem Teppich, der bei uns vor der Feuerstelle liegt. Seine Herstellung dauert mindestens fünf Jahre. Wenn der Teppich fertig ist, weiß man, ob man mit seinem Brutpartner eine gute Wahl getroffen hat.«
»Ich habe nie eines eurer Dörfer gesehen«, sagte Eragon. »Sie müssen gut versteckt sein.«
»Ja, und gut verteidigt werden sie auch. Die wenigsten, die unsere Heimat sehen, überleben lange genug, um davon zu berichten.«
Eragon sah dem Kull fest in die Augen und legte etwas Schärfe in seine Stimme: »Wie hast du unsere Sprache erlernt, Garzhvog? Hat ein Mensch unter euch gelebt? Habt ihr menschliche Sklaven?«
Garzhvog hielt Eragons Blick stand. »Wir sind keine Sklavenhalter, Feuerschwert. Eure Sprache habe ich dem Bewusstsein der Männer entrissen, gegen die ich gekämpft habe, und das Wissen mit dem Rest meines Stammes geteilt.«
»Du hast viele Menschen getötet, nicht wahr?«
»Du hast viele Urgals getötet, Feuerschwert. Aus diesem Grund müssen wir Verbündete bleiben, denn sonst wird mein Volk aussterben.«
Eragon verschränkte die Arme. »Als Brom und ich die Ra’zac verfolgten, kamen wir durch Yazuac, ein Dorf am Fluss Ninor. In der Dorfmitte fanden wir einen riesigen Leichenberg. Ganz oben lag ein aufgespießtes Baby. Es war das Schrecklichste, was ich je gesehen habe. Und es waren Urgals, die dieses Blutbad angerichtet haben.«
»Bevor ich meine Hörner bekam«, erzählte Garzhvog, »nahm mich mein Vater mit zu einem Besuch in eines unserer Dörfer in den westlichen Ausläufern des Buckels. Als wir dort ankamen, fanden wir nur noch die Leichen der Dorfbewohner. Die Menschen aus Narda hatten von der Existenz des Dorfes erfahren und einen Soldatentrupp geschickt, der die Urgals mitten in der Nacht überraschte. Niemand entkam. Sie wurden gefoltert, verbrannt, niedergemetzelt... Es ist wahr, dass wir den Kampf lieben wie kein anderes Volk,
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