Die Weisheit des Feuers
restlichen Riesenwildschweine zwischen den Bäumen und flohen den Berg hinauf.
Beeindruckt von der Kraft des Bären, folgte Eragon Garzhvog, als der langsam zwischen den Bäumen hervortrat und dadurch in das Blickfeld des Bären geriet. Das Tier hob die blutverschmierte Schnauze und schaute aus kleinen Knopfaugen zu ihnen herab. Dann schien es zu beschließen, dass sie keine Gefahr darstellten, und fraß weiter.
»Ich glaube, selbst Saphira käme gegen solch ein Ungetüm nicht an«, murmelte Eragon.
Garzhvog knurrte leise. »Dein Drache kann Feuer speien. Ein Höhlenbär nicht.«
Die beiden ließen den Bär nicht aus den Augen, bis die Bäume ihn verdeckten, und auch dann senkten sie die Waffen nicht, da sie nicht wussten, welche Gefahren als Nächstes auf sie warteten.
Es war schon später Nachmittag, als sie ein ganz anderes Geräusch vernahmen: Lachen. Eragon und Garzhvog blieben stehen. Der Kull deutete stumm in die Richtung, aus der die Laute kamen, und schlich dann überraschend geschmeidig durch eine Wand aus dichtem Gestrüpp darauf zu. Eragon folgte dem Urgal.
Durch die Zweige eines Hartriegelstrauchs konnten sie sehen, dass jetzt ein ausgetretener Pfad die Talsohle entlangführte. Am Rand spielten drei Zwergenkinder: Sie bewarfen sich mit Stöckchen und lachten vergnügt. Erwachsene waren nirgends zu sehen. Eragon schlich leise zurück, blickte prüfend zum Himmel und entdeckte etwa eine Meile talaufwärts mehrere weiße Rauchfahnen.
Ein Ast brach, als Garzhvog sich vor ihm hinhockte, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein. »Hier verlasse ich dich, Feuerschwert«, verkündete der Kull.
»Du begleitest mich nicht bis zur Festung Bregan?«
»Nein. Meine Aufgabe war, auf dich aufzupassen. Wenn ich mitgehe, werden die Zwerge dir nicht das nötige Vertrauen entgegenbringen. Der Thardûr ist ganz nah, und ich bin sicher, niemand wird es wagen, dich auf der kurzen Strecke bis dorthin anzugreifen.«
Eragon rieb sich den Nacken und blickte zwischen den Rauchfahnen im Osten und Garzhvog hin und her. »Läufst du direkt zurück zu den Varden?«
»Ja, aber vielleicht nicht ganz so schnell wie auf dem Hinweg«, sagte der Kull mit einem leisen Lachen.
Eragon wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Mit der Stiefelspitze stieß er gegen das Ende eines verrotteten Baumstammes und gab damit den Blick auf zahllose weiße Larven frei, die sich unter der Rinde in ihren Gängen wanden. »Gib acht, dass dich kein Shrrg oder Höhlenbär auffrisst, ja? Sonst müsste ich nämlich das Ungetüm jagen und töten, und dafür fehlt mir die Zeit.«
Garzhvog legte seine Fäuste an die knochige Stirn. »Mögen deine Feinde die Flucht vor dir ergreifen, Feuerschwert.« Damit erhob er sich und eilte mit langen Sätzen davon. Bald hatte der Wald die riesenhafte Gestalt verschluckt.
Eragon sog die frische Bergluft ein, dann kämpfte er sich erneut durchs Unterholz. Als er zwischen den Farnen und Hartriegelsträuchern heraustrat, erstarrten die winzigen Zwergenkinder und blickten ihn argwöhnisch an. Die Hände seitlich erhoben, sagte er: »Ich bin Eragon Schattentöter, Sohn von Niemand. Ich möchte zu Orik, Sohn von Thrifk auf der Festung Bregan. Führt ihr mich dorthin?« Nachdem die Kinder nicht reagierten, begriff er, dass sie ihn nicht verstanden hatten. »Ich bin ein Drachenreiter«, sagte er langsam und deutlich.
»Eka eddyr aí Shur’tugal
...
Shur’tugal … Argetlam.«
Da erstrahlten die Augen der Kleinen und ihre Münder formten runde Laute des Erstaunens. »Argetlam!«, riefen sie. »Argetlam!« Mit freudigem Gebrüll rannten sie auf ihn zu, schlangen ihre kurzen Ärmchen um seine Beine und zogen an seinen Kleidern. Eragon blickte auf sie hinab und merkte, wie sich sein Gesicht zu einem breiten Grinsen verzog.
Die Kinder nahmen ihn bei den Händen und er ließ sich von ihnen den Pfad entlangziehen. Obwohl er sie nicht verstand, plapperten die Kleinen in der Zwergensprache unentwegt auf ihn ein, aber er genoss es, dem lustigen Gebrabbel zu lauschen.
Als ihm eines der Kinder - ein Mädchen, wie er vermutete - die Arme entgegenreckte, hob er es hoch und setzte sich die Kleine auf die Schultern. Ihr freudiges helles Lachen zauberte erneut ein Lächeln auf sein Gesicht. Beschwingt machte er sich mit seiner Zwergeneskorte auf den Weg zum Berg Thardûr, zur Festung Bregan und zu seinem Freund und Stiefbruder Orik.
ALLES NUR AUS LIEBE
M issmutig starrte Roran auf den flachen runden Stein in seiner
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