Die Weisheit des Feuers
Dunkelheit und konnte die Umrisse eines riesigen Tieres erkennen, das am steinigen Teichufer entlangtrottete.
»Garzhvog«, flüsterte Eragon, langte nach seinen Sachen und zog das Schwert.
Der Kull legte einen faustgroßen Stein in die Schleuder, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und brüllte seine trotzige Herausforderung in die Nacht hinaus, bis das Land davon widerhallte.
Das Tier hielt inne, dann näherte es sich langsamer, schnüffelte hier und dort am Boden. Als es ins Licht des Feuers trat, stockte Eragon der Atem. Vor ihnen stand ein graupelziger Wolf, der so groß war wie ein Pferd, mit Fängen wie Säbel und gelb glühenden Augen, die jeder ihrer Bewegungen folgten. Die Beine hatten den Umfang von Faustschilden.
Ein Shrrg!,
dachte Eragon.
Als der Riesenwolf das Lager trotz seiner Größe geschmeidig und fast lautlos umkreiste, überlegte Eragon, wie die Elfen wohl mit so einem wilden Tier umgehen würden, und sagte dann in der alten Sprache: »Bruder Wolf, wir wollen dir nichts Böses. Heute Nacht jagen wir nicht, wir wollen uns nur ausruhen. Gerne teilen wir mit dir unser Fleisch und die Wärme unseres Feuers.«
Während Eragon sprach, hielt der Shrrg inne und drehte die Ohren nach vorn.
»Feuerschwert, was machst du?«, grollte Garzhvog.
»Greif ihn nur an, wenn er es zuerst tut.«
Der Riesenwolf zuckte mit der großen feuchten Nase. Er wandte den Zottelkopf zum Feuer, offenbar an den tanzenden Flammen interessiert. Dann schlich er zu den Fleischresten und Innereien, die am Boden verstreut lagen, wo Garzhvog den Hirsch ausgenommen hatte. Er schnappte sich einen Brocken und verschwand ohne einen weiteren Blick im Dunkel der Nacht.
Eragon entspannte sich und schob sein Krummschwert zurück in die Scheide. Garzhvog hingegen blieb mit gefletschten Zähnen stehen und spähte und lauschte nach verdächtigen Bewegungen oder Geräuschen in die sie umgebende Finsternis.
Bei Tagesanbruch machten sie sich wieder auf den Weg und rannten ostwärts in das Tal, das sie zum Berg Thardûr bringen würde.
Als sie sich nun unter dem Geäst des dichten Waldes bewegten, der das Gebirgsinnere überzog, wurde es merklich kühler, und das weiche Nadelbett am Boden dämpfte ihre Schritte. Die hohen dunklen Bäume schienen sie zu beobachten, während sie sich ihren Weg zwischen den dicken Stämmen suchten und den aus der feuchten Erde ragenden Wurzeln, die sich zwei, drei, vier Fuß in die Höhe wanden. Große schwarze Eichhörnchen tollten auf den Ästen herum. Eine dicke Moosschicht bedeckte die umgestürzten Baumstämme. Farn, Fingerhutbeeren und andere Pflanzen gediehen neben Pilzen jeder Form, Farbe und Größe.
Die Welt wurde eng, sobald Eragon und Garzhvog sich vollends in dem lang gezogenen Tal befanden. Die gigantischen Berge schienen von beiden Seiten auf sie zuzustürzen und sie zu bedrängen. An den Bergrücken hingen vereinzelt Wolkenfetzen, doch der Himmel war nur ein ferner, unerreichbarer blauer Streifen.
Am frühen Nachmittag erschallte zwischen den Bäumen ein grauenvolles Gebrüll, woraufhin sie ihre Schritte verlangsamten. Eragon zog sein Schwert, Garzhvog hob einen Stein auf und lud damit seine Schleuder.
»Ein Höhlenbär und Nagran«, erklärte der Kull. Ein wütender, schriller Schrei, der dem Schaben von Metall auf Metall ähnelte, unterstrich seine Worte. »Wir müssen uns vorsehen, Feuerschwert.«
Sie gingen vorsichtig weiter und entdeckten bald die Tiere mehrere hundert Fuß entfernt am Hang. Eine Rotte rötlicher Riesenwildschweine mit dicken, geschwungenen Stoßzähnen sprang in einem kreischenden Durcheinander vor einer gewaltigen Masse silberbraunen Fells herum, die hakenförmige Krallen und weiß schimmernde Reißzähne besaß und sich mit tödlicher Schnelligkeit bewegte. Anfangs ließ Eragon sich durch die Entfernung täuschen. Doch dann verglich er die Tiere mit den Bäumen daneben, und ihm wurde klar, dass ein Shrrg neben den Wildschweinen klein gewirkt hätte und der Höhlenbär fast so groß war wie ihr Haus im Palancar-Tal. Die Nagran hatten dem Bär einige blutige Wunden zugefügt, aber das schien ihn nur noch wütender zu machen. Auf den Hinterbeinen stehend, brüllte er, fegte mit seiner massigen Pranke eines der Wildschweine um und riss ihm die borstige Haut auf. Dreimal versuchte es hochzukommen, aber der Bär schlug es immer wieder zu Boden, bis das Nagra reglos liegen blieb. Während der Koloss sich über seine Beute hermachte, verschwanden die
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