Die Weisheit des Feuers
bevor er mit seinen Brüdern oder Schwestern in einem Durchgang verschwand.
Wenn Saphira bei mir wäre, würden sie es nicht wagen, sich so unhöflich zu benehmen,
dachte er.
Eine halbe Stunde später hatte er das Ende der gewaltigen Haupthalle erreicht. Obwohl er schon früher hier gewesen war, erfüllte ihn ehrfürchtiges Staunen, als er zwischen den schwarzen Onyxsäulen, deren Spitzen gelbe dreimannshohe Zirkone schmückten, hindurchschritt und die runde Kammer im Herzen Tronjheims betrat.
Ihr Durchmesser betrug mehr als tausend Fuß. Der Boden bestand aus poliertem Karneol, in den ein von zwölf Sternen umringter Hammer eingemeißelt worden war, das Wappen des Dûrgrimst Ingietum und des ersten Zwergenkönigs Korgan. Er hatte Farthen Dûr entdeckt, als er nach Gold gegraben hatte. Gegenüber und zu beiden Seiten lagen die Eingänge zu den anderen drei Haupthallen des Stadtberges. Die Kammer, in der Eragon stand, hatte keine Decke, sondern reichte bis zur mehr als eine Meile entfernten Spitze von Tronjheim. Dort öffnete sie sich zum Drachenhort, in dem Eragon und Saphira untergebracht gewesen waren, bevor Arya den Sternsaphir zertrümmert hatte. Und darüber sah man ein scheinbar unerreichbar fernes blaues Stück Himmel, eingefasst von der runden Öffnung Farthen Dûrs, des hohlen, zehn Meilen hohen Berges, der Tronjheim vor dem Rest der Welt schützte.
Bis hinunter zum Grund Tronjheims drang nur wenig Tageslicht. »Die Stadt des Ewigen Zwielichts« nannten die Elfen sie. Da so selten die Sonne in den Stadtberg schien - bis auf eine gleißend helle Stunde zur Mittagszeit im Hochsommer -, erleuchteten die Zwerge das Innere ihrer Stadt mit unzähligen flammenlosen Laternen. An jeder Säule der Bogenarkaden, die die Stockwerke des Stadtberges säumten, hing eine Laterne, und in den Arkaden selbst markierten weitere Lichter die Eingänge zu fremden, unbekannten Räumen und erhellten die Vol Turin, die
endlose Wendeltreppe,
die sich von oben bis ganz nach unten um den Stadtberg wand. Die Beleuchtung wirkte stimmungsvoll und gleichzeitig spektakulär. Die Scheiben der Laternen waren bunt, was den Eindruck erweckte, als wäre die Kammer mit glühenden Juwelen gesprenkelt.
Doch ihr Glanz verblasste neben der Pracht eines echten Juwels, des größten aller Edelsteine: Isidar Mithrim. Auf dem Boden der Kammer hatten die Zwerge aus Eichenbrettern ein Gerüst mit einem Durchmesser von sechzig Fuß errichtet, in dem sie den Sternsaphir mit akribischer Sorgfalt wiedererstehen ließen. Die Scherben, die sie noch einsetzen mussten, bewahrten sie in offenen, mit ungesponnener Wolle ausgepolsterten Kisten auf, die mit krakeligen Runen beschriftet waren. Diese Kisten nahmen den größten Teil der Westseite des gewaltigen Raumes ein. Etwa dreihundert Zwerge hockten vor ihnen und versuchten konzentriert, zueinanderpassende Bruchstücke zu finden, während eine andere Gruppe an dem zerborstenen Edelstein arbeitete und dabei ständig das Gerüst erweiterte.
Eragon sah ihnen einige Minuten bei der Arbeit zu, dann ging er zu dem Teil der Halle, den Durza aufgebrochen hatte, als er zusammen mit den Urgal-Kriegern durch die Tunnel darunter in Tronjheim eingedrungen war. Er tippte mit der Stiefelspitze auf den glatt polierten Boden. Von dem Schaden, den Durza angerichtet hatte, war nichts mehr zu sehen. Die Zwerge hatten ganze Arbeit beim Beseitigen der Spuren geleistet, die die Schlacht um Farthen Dûr hinterlassen hatte. Allerdings hoffte er, dass sie dieser Schlacht durch irgendein Mahnmal gedenken würden. Das hielt er für wichtig, damit die folgenden Generationen den Blutzoll nicht vergaßen, den Zwerge und Varden beim Kampf gegen Galbatorix gemeinsam gezahlt hatten.
Als er sich dem Gerüst näherte, nickte er Skeg zu, der auf einer Plattform über dem Sternsaphir stand. Er kannte den geschickten dürren Zwerg bereits. Skeg gehörte dem Dûrgrimst Gedthrall an, dem Clan, den König Hrothgar mit der Instandsetzung des kostbarsten Schatzes der Zwerge betraut hatte.
Skeg winkte ihn zu sich auf die Plattform. Ein Ausblick über nadelscharfe Zacken, glitzernde, papierdünne Grate und wellige Flächen erwartete Eragon, als er sich auf die rauen Bretter gehievt hatte. Die funkelnde Oberfläche des Sternsaphirs erinnerte ihn an das Eis auf dem Fluss Anora im Palancar-Tal, wenn es gegen Ende des Winters mehrfach geschmolzen und erneut gefroren war. Es zu betreten, war dann wegen der Wellen und Grate, die die
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