Die Weisheit des Feuers
Flecken aus schwarzem Blut die Flussoberfläche wie riesige Tintenkleckse und wurden von der Strömung fortgespült. Die tödliche Gleichförmigkeit eines jeden Schlages lähmte und entsetzte Roran. Wie sehr er sich auch abmühte, es gab immer einen neuen verstümmelten Soldaten, der sich auf ihn stürzte. Und die ganze Zeit über glucksten die Männer, die wussten, dass sie tot waren, und doch so taten, als wären sie lebendig, während die Varden ihre Körper mehr und mehr entstellten.
Und dann kehrte Stille ein.
Mit halb erhobenem Hammer duckte Roran sich hinter seinem Schild; keuchend, gebadet in Schweiß und Blut. Eine geschlagene Minute verstrich, bis ihm dämmerte, dass niemand mehr im Wasser stand. Dreimal schaute er hin und her und konnte es nicht fassen, dass die Soldaten endlich und unwiderruflich tot sein sollten. Im glitzernden Wasser trieb eine Leiche an ihm vorbei.
Ein Aufschrei entfuhr ihm, als jemand seinen Arm packte. Fauchend fuhr er herum und riss sich los. Dann sah er, dass Carn neben ihm stand. »Beruhige dich, Roran«, sagte der bleiche, blutbesudelte Magier. »Wir haben gewonnen! Sie sind tot! Wir haben sie besiegt!«
Roran ließ die Arme sinken und legte den Kopf in den Nacken. Er war so erschöpft, dass er sich nicht einmal mehr hinsetzen konnte. Er fühlte sich, als ob... als ob seine Sinne unnatürlich scharf wären, doch seine Empfindungen schienen trübe und dumpf, wie irgendwo in seinem tiefsten Inneren niedergetrampelt. Er war froh darüber; sonst, so glaubte er, wäre er verrückt geworden.
»Sammelt euch und inspiziert die Ladung!«, rief Martland. »Je schneller ihr euch aufrafft, desto eher können wir von diesem verfluchten Ort verschwinden! Carn, behandle Welmar. Mir gefällt diese Schnittwunde nicht.«
Unter Aufbietung all seiner Willenskraft wandte Roran sich um und trottete am Ufer entlang zum nächsten Wagen. Er wischte sich den Schweiß aus den Augen und sah, dass von ihrem Trupp nur noch neun Mann aufrecht stehen konnten. Er verdrängte jeden Gedanken daran.
Trauere später, nicht jetzt.
Als Martland Rotbart durch das leichenübersäte Lager schritt, wälzte sich ein Soldat herum, den Roran für tot gehalten hatte, und schlug dem Grafen die rechte Hand ab. In einer so anmutigen Bewegung, dass sie beinahe einstudiert wirkte, trat Martland dem Mann das Schwert aus der Hand, bückte sich, presste ihm das Knie auf die Kehle, zückte mit der linken Hand seinen Dolch und stieß dem Mann die Klinge ins Ohr. Mit hochrotem, angestrengtem Gesicht klemmte er sich den Armstumpf unter die Achsel und scheuchte alle fort, die auf ihn zugerannt kamen. »Lasst mich in Ruhe! Die Wunde ist kaum der Rede wert. Kümmert euch um die Ladung! Wenn ihr Schlafmützen euch nicht beeilt, kriege ich noch einen schlohweißen Bart, bevor wir endlich verschwinden können. Jetzt macht schon!« Als Carn sich jedoch weigerte, dem Befehl zu folgen, funkelte Martland ihn an und brüllte: »Verschwinde, sonst lasse ich dich wegen Befehlsverweigerung auspeitschen!«
Carn hob Martlands abgetrennte Hand auf. »Wahrscheinlich kann ich sie wieder mit dem Gelenk verbinden, aber es wird ein paar Minuten dauern.«
»Ach, zum Henker, gib schon her!«, rief Martland und entriss Carn die Hand. Er schob sie unter sein Wams. »Hör auf, um mich herumzuscharwenzeln. Kümmer dich lieber um Welmar und Lindel. Das mit der Hand kannst du erledigen, sobald wir ein paar Meilen zwischen uns und diese Ungeheuer gebracht haben.«
»Aber dann ist es vielleicht zu spät«, sagte Carn.
»Das war ein Befehl, Magier, keine Bitte!«, polterte Martland. Während Carn davontrottete, verschnürte der Graf mit den Zähnen den Wamsärmel über dem Armstumpf und klemmte ihn sich wieder unter die Achsel. Sein Gesicht war schweißüberströmt. »Also, was ist jetzt? Welch scheußlicher Kram verbirgt sich in den verfluchten Wagen?«
»Seile!«, rief jemand.
»Whiskey!«, brüllte ein anderer.
Martland brummte: »Ulhart, schreib alles auf.«
Roran half den anderen beim Durchsuchen der Wagen und rief Ulhart zu, was sie geladen hatten. Danach schlachteten sie die Ochsen und setzten die Gefährte wie beim letzten Mal in Brand. Dann halfen sie ihren verletzten Kameraden auf die Pferde, banden sie dort fest und saßen selbst auf.
Als sie bereit zum Aufbruch waren, deutete Carn auf das grelle Licht am Himmel und murmelte ein langes, kompliziertes Wort. Dunkelheit umfing die Welt. Roran schaute auf und erblickte einen Moment lang das
Weitere Kostenlose Bücher