Die Weisheit des Feuers
Speisekammer.«
Eragon zögerte. Er wollte nicht gehen, nickte dann aber und schlurfte von der Werkbank weg. Als er an Saphira vorbeikam, strich er mit der Hand über ihren Flügel und wünschte ihr eine gute Nacht. Mehr bekam er vor lauter Müdigkeit nicht heraus. Sie zerzauste ihm mit einem warmen Atemstoß das Haar.
Ich werde zuschauen und mich für dich erinnern, mein Kleiner,
antwortete sie
.
Auf der Schwelle von Rhunöns Haus blieb Eragon stehen und blickte suchend über den schattigen Innenhof. Maud und die beiden Elfenkinder standen immer noch an derselben Stelle. Er hob grüßend die Hand und Maud entblößte lächelnd ihre scharfen spitzen Zähne. Ein Kribbeln lief Eragon über den Nacken, als die Elfenkinder ihn ansahen. Ihre großen, schräg stehenden Augen schimmerten in der Dämmerung. Als sie sich nicht weiter rührten, zog er den Kopf ein und trat ins Haus. Er freute sich schon auf eine weiche Matratze.
DIE WEISHEIT DES FEUERS
W
ach auf, Kleiner
, sagte Saphira.
Die Sonne ist schon aufgegangen und Rhunön wird ungeduldig.
Eragon richtete sich mit einem Ruck auf und warf die Decke so mühelos von sich, wie er aus seinen Träumen glitt. Arme und Schultern schmerzten von der nächtlichen Anstrengung. Er zog seine Stiefel an und war fast zu aufgeregt, um sich die Schnürsenkel zu binden. Dann schnappte er sich die schmutzige Schürze vom Boden und sprang die kunstvoll geschnitzten Stufen zum Eingang von Rhunöns geschwungenem Haus hinab.
Am Himmel leuchtete das erste Licht des Tages, doch der Innenhof lag noch im Schatten. Eragon entdeckte Rhunön und Saphira an der offenen Schmiede und lief zu ihnen hinüber, während er sich mit den Fingern durchs Haar fuhr. Rhunön lehnte an der Werkbank. Sie hatte dunkle Schatten unter den Augen und die feinen Linien in ihrem Gesicht waren tiefer als am Tag zuvor.
Vor ihr lag, verborgen unter einem weißen Tuch, das Schwert.
»Ich habe das Unmögliche vollbracht!« Rhunöns Stimme klang heiser und trocken. »Ich habe ein Todeswerkzeug geschmiedet, obwohl ich gelobt hatte, es nicht zu tun. Mehr noch, ich habe es an einem einzigen Tag gefertigt und dazu mit Händen, die nicht die meinen waren. Dennoch ist das Schwert weder plump noch schäbig. Nein! Es ist die schönste Waffe, die ich je hergestellt habe. Ich hätte zwar lieber weniger Magie für die Fertigung eingesetzt, aber das ist meine einzige Sorge. Und sie bedeutet nichts, verglichen mit dem Ergebnis. Schaut her!«
Rhunön packte einen Zipfel des Tuchs und zog es zurück.
Eragon stieß ein überraschtes Keuchen aus. Er hatte angenommen, dass die wenigen Stunden, die Rhunön geblieben waren, nachdem er sich niedergelegt hatte, nur für ein einfaches Heft, eine schlichte Parierstange und vielleicht noch eine Holzscheide gereicht hätten. Aber das Schwert, das vor ihm lag, war so prachtvoll wie Zar’roc, Naegling und Támerlein - in seinen Augen war es noch schöner.
Die Klinge steckte in einer Scheide von demselben dunklen Blau wie Saphiras Rückenschuppen. Die Farbe schillerte leicht wie das von Laubwerk gesprenkelte Licht am Grunde eines klaren Waldsees. Das Ortband der Scheide zierte ein Beschlag aus gebläutem Sternenstahl in Form eines Blattes, während um das Scheidenmundblech stilisiertes Weinlaub verlief. Die gebogene Parierstange war ebenfalls aus gebläutem Sternenstahl, ebenso wie die vier Rippen, die den großen Saphir am Knauf hielten. Das Heft des Anderthalbhänders war aus hartem Ebenholz geschnitzt.
Ehrfürchtig griff Eragon nach dem Schwert, hielt dann aber inne und sah Rhunön an. »Darf ich?«
Sie neigte den Kopf. »Bitte. Ich schenke es dir, Schattentöter.«
Eragon hob das Schwert behutsam von der Werkbank. Die Scheide und der Holzgriff fühlten sich kühl an. Einige Minuten lang bewunderte er die Details auf Scheide, Parierstange und Knauf. Dann packte er das Heft fester und zog die Waffe aus der Scheide.
Auch die Klinge war blau, wenngleich etwas heller als der Rest des Schwertes. Es war eher das Blau von Saphiras Halsschuppen als das ihrer Rückenschuppen. Und wie bei Zar’roc changierte diese Farbe. Als Eragon das Schwert leicht drehte, schillerte die Klinge in allen Blautönen, die Saphiras Schuppen nur aufwiesen. Bei diesem Farbspiel blieben jedoch die seilartigen Linien im Stahl und die blassen Bänder an den Schneiden sichtbar.
Mit einer Hand schwang Eragon das Schwert durch die Luft und lachte vor Freude darüber, wie leicht und schnell es sich
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