Die Weisheit des Feuers
zwischen zwei Holzblöcken und verbrachte die nächste Stunde damit, die Seiten des Schwertes mit einem Abziehmesser zu glätten und die Konturen mit Feilen zu formen. Wie beim Hämmern schien jede Bewegung mit Messer und Feile doppelt so stark zu wirken wie normalerweise; als wüssten die Werkzeuge genau, wie viel Stahl zu entfernen war, und hielten sich daran.
Als Rhunön mit dem Feilen fertig war, entzündete sie ein Holzkohlenfeuer in der Esse, und während sie darauf wartete, dass es richtig brannte, rührte sie einen Brei aus feinkörnigem dunklem Lehm, Asche, pulverisiertem Bimsstein und kristallisiertem Wacholdersaft an. Sie bestrich die Klinge mit dem Brei, wobei sie auf dem Rückgrat der Klinge doppelt so viel davon auftrug wie auf den Schneiden und der Spitze. Je dicker die Breischicht war, desto langsamer würde das Metall darunter abkühlen, wenn es später abgelöscht wurde, und desto weicher würden diese Stellen des Schwertes werden.
Der Lehm wurde heller, als Rhunön ihn mit einem kurzen Zauberspruch trocknete. Dann ging Eragon auf Anweisung der Elfe zur Esse. Er legte das Schwert flach auf das Bett aus glühenden Kohlen und zog es langsam wieder heraus, während er mit der freien Hand den Blasebalg bediente. Sobald die Spitze des Schwertes aus dem Feuer auftauchte, drehte Rhunön es um und wiederholte die Prozedur. Sie fuhr fort, die Klinge durch das Feuer zu ziehen, bis die Schneiden orange und das Rückgrat des Schwertes hellrot glühten. Dann zog Rhunön das Schwert in einer fließenden Bewegung aus den Kohlen, schwang die rot glühende Stahlklinge durch die Luft und tauchte sie in den Wassertrog neben der Esse.
Eine fauchende Dampfwolke stieg auf und um die Klinge herum zischte und brodelte das Wasser. Nach einer Minute beruhigte es sich und Rhunön holte das nun perlgraue Schwert heraus. Sie legte es erneut in die niedrige Hitze des Feuers, um die Sprödigkeit der Schneiden herabzusetzen, und löschte die Klinge anschließend wieder ab.
Eragon hatte erwartet, dass Rhunön seinen Körper freigeben würde, nachdem sie die Klinge geschmiedet, gehärtet und getempert hatten, aber zu seiner Überraschung verharrte sie in seinem Geist und behielt die Kontrolle über seinen Körper.
Rhunön wies ihn an, die Esse mit Wasser zu löschen, dann dirigierte sie ihn zu der Werkbank mit den Feilen und Schleifsteinen. Dort setzte sie ihn hin und machte sich daran, mit noch feineren Wetzsteinen die Klinge zu polieren. Aus Rhunöns Erinnerungen erfuhr Eragon, dass sie normalerweise eine Woche oder mehr auf das Polieren einer Klinge verwendete, aber durch das Lied, das sie mit ihm sang, konnte sie diese Aufgabe in nur vier Stunden bewältigen. Die Zeit reichte sogar, die Hohlkehle auf beiden Seiten des Schwertes einzuschmieden. Umso ebenmäßiger der Sternenstahl wurde, desto mehr offenbarte das Metall seine Schönheit. Eragon erkannte ein schimmerndes, seilartiges Muster darin, dessen Linien jeweils den Übergang zwischen zwei Schichten des samtigen Stahls markierten. Und an den beiden Schneiden des Schwertes schimmerte ein weißes Band, das aussah, als würden dort gefrorene Flammen züngeln.
Die Muskeln seines rechten Arms versagten Eragon den Dienst, als Rhunön gerade dabei war, den Griffzapfen mit einem dekorativen Kreuzmuster zu versehen. Die Feile rutschte von dem Zapfen ab und glitt ihm aus den kraftlosen Fingern. Es überraschte ihn, wie ungeheuer erschöpft er war, da er sich bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich auf das Schwert konzentriert hatte.
Genug!
, sagte Rhunön und zog sich kurzerhand aus Eragons Geist zurück.
Ihr plötzliches Fehlen ließ Eragon auf seinem Hocker schwanken, und fast wäre er zu Boden gestürzt, bevor er seine rebellischen Gliedmaßen wieder unter Kontrolle hatte. »Aber wir sind doch noch nicht fertig!«, protestierte er. Ohne Rhunöns Gesang kam ihm die Nacht unnatürlich still vor.
Rhunön erhob sich von ihrem Platz am Pfosten, an dem sie die ganze Zeit mit gekreuzten Beinen gesessen hatte, und schüttelte den Kopf. »Ich brauche dich nicht mehr, Schattentöter. Geh und träume bis zum Morgengrauen.«
»Aber...«
»Du bist erschöpft, und trotz meiner Magie würdest du die Waffe vermutlich ruinieren, wenn du weiter daran arbeiten würdest. Nun, da die Klinge fertig ist, kann ich die restliche Arbeit beenden, ohne mein Gelübde zu brechen. Also geh! Im zweiten Stock meines Hauses steht ein Bett. Falls du hungrig sein solltest, findest du alles Nötige in der
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