Die Weisheit des Feuers
grimmiges Knurren Saphiras unterbrach. Sie peitschte mit dem Schwanz gegen die Höhlenwand, sodass ihre Schuppen den Boden harkten und Knochen und Steine wie im Todeskampf kreischten.
»Hört zu!«, rief Eragon. »Einer der Ra’zac läuft hier immer noch frei herum. Und überlegt mal, was vielleicht im Helgrind noch alles zu finden ist: Schriftrollen, Elixiere, Informationen über die Aktivitäten des Imperiums - lauter Sachen, die uns helfen können! Vielleicht haben die Ra’zac hier sogar ihr Nest. Dann muss ich ihre Eier zerstören, bevor sie Galbatorix in die Hände fallen.«
Zu Saphira sagte er außerdem noch:
Ich kann Sloan nicht umbringen, und ich kann nicht zulassen, dass Roran oder Katrina ihn sehen, genauso wenig wie ich zulassen kann, dass er in seiner Zelle verhungert oder Galbatorix’ Schergen ihn wieder einfangen. Tut mir leid, aber ich muss mich selbst um Sloan kümmern.
»Wie willst du denn von hier wegkommen?«, wollte Roran wissen.
»Zu Fuß. Ich bin so schnell wie ein Elf, musst du wissen.« Saphiras Schwanzspitze zuckte kurz, bevor sie ohne weitere Vorwarnung einen Satz machte und mit einer ihrer schimmernden Pranken auf Eragon zukam. Hals über Kopf rettete er sich in den Tunnel, nur einen Sekundenbruchteil bevor der Fuß des Drachen dort auftraf, wo er gerade gestanden hatte.
Saphira bremste vor der Tunnelöffnung rutschend ab und stieß ein wütendes Heulen aus, weil sie ihm nicht in den schmalen Gang folgen konnte. Ihr Körper schirmte fast das ganze Licht ab. Um Eragon herum bebte der Fels, als sie mit Zähnen und Klauen die Öffnung bearbeitete und dicke Klumpen herausbrach. Ihr wildes Schnauben und der Anblick ihres aufgerissenen Mauls mit Zähnen, so lang wie sein Unterarm, jagten Eragon einen gehörigen Schrecken ein. Jetzt wusste er, wie sich ein Kaninchen fühlen musste, dem ein Wolf den Bau ausgrub.
»Gánga!«
, rief er.
Nein!
Saphira legte den Kopf auf den Boden, stieß einen lang gezogenen Klagelaut aus und sah ihn mit großen, traurigen Augen an.
»
Gánga!
Ich habe dich sehr lieb, Saphira, aber du musst jetzt gehen.«
Saphira zog sich einige Schritte von der Öffnung zurück und schniefte, dann maunzte sie wie eine Katze.
Kleiner
...
Eragon hasste es, sie unglücklich zu machen, und er hasste es, sie fortzuschicken. Es war ein Gefühl, als risse er sich in zwei Teile. Durch ihre unsichtbare Verbindung flutete Saphiras Elend zu ihm herüber und setzte ihn, zusammen mit seiner eigenen Qual, beinahe außer Gefecht. Doch irgendwie fand er die Kraft, zu sagen: »
Gánga!
Und komm ja nicht noch mal zurück oder schicke jemand anderen vor. Ich schaffe das schon.
Gánga! Gánga!
«
Sie heulte frustriert auf und schlich dann widerstrebend zum Höhlenausgang. Von seinem Platz in ihrem Sattel aus meldete sich jetzt Roran: »Eragon, komm schon! Sei nicht blöd. Du bist viel zu wichtig, um dein Leben...«
Ein donnerndes Beben verschluckte den Rest des Satzes, als Saphira sich aus der Höhle hinausschwang. Der klare Himmel ließ ihre Schuppen glitzern wie eine Unmenge funkelnder Diamanten. Sie war einfach prächtig, dachte Eragon stolz, edel und schöner als irgendein anderes Wesen. Kein Hirsch oder Löwe konnte sich mit der Majestät eines Drachen im Fluge messen. Sie sagte:
Eine Woche werde ich warten. Dann komme ich zurück, Eragon, und wenn ich mich zwischen Dorn, Shruikan und tausend bösen Magiern durchkämpfen muss.
Eragon sah ihr nach, bis sie aus seinem Blickfeld verschwunden war und er auch ihren Geist nicht mehr spüren konnte. Dann gab er sich einen Ruck und wandte sich mit bleischwerem Herzen von der Sonne und allem, was warm und lebendig war, ab, um wieder ins Reich der Finsternis hinabzusteigen.
DER LETZTE RA’ZAC
I m Innern des Helgrind saß Eragon in dem Gang, wo sich eine Zelle an die nächste reihte. Das rote Werlicht warf einen kühlen Schein auf ihn und der Rotdornstab lag quer über seinem Schoß.
Der Fels warf seine Stimme zurück, während er wieder und wieder einen Satz in der alten Sprache rezitierte. Es war keine Zauberformel, sondern eher eine Botschaft an den verbliebenen Ra’zac. Er bedeutete: »Komm, oh du Menschenfleischesser, lass uns diesen unseren Kampf zu Ende bringen. Du bist verletzt und ich bin müde. Dein Gefährte ist tot und auch ich bin allein. Wir sind ebenbürtige Gegner. Ich verspreche, dass ich keinerlei Magie einsetzen werde, um dich zu verletzen oder in eine Falle zu locken. Komm, oh du
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