Die Weisheit des Feuers
nun warnen, dass es ein gefährlicher Zeitvertreib ist, um die Königin herumzuscharwenzeln, oder dass Islanzadi eine gespannte Bogensehne ist, die jederzeit reißen kann? Oder hat er etwas ganz anderes gemeint?
Wenigstens kann ich mit den Elfen Kontakt aufnehmen,
dachte er. Die Schutzzauber der Elfen verhinderten jede Art magischen Eindringens nach Du Weldenvarden, die Traumsicht inbegriffen. Solange sie in ihren Städten blieben, konnte man sich nur mit ihnen in Verbindung setzen, indem man Boten in ihren Wald schickte. Aber jetzt, wo sie unterwegs waren und die Schatten ihrer schwarznadeligen Kiefern verlassen hatten, schützten ihre mächtigen Zauber sie nicht mehr und man konnte Hilfsmittel wie den magischen Spiegel benutzen.
Eragon wurde zunehmend ungeduldig, als erst eine Minute und dann noch eine verrann. »Na los doch«, murmelte er und sah sich rasch um, ob auch kein Mensch oder Tier sich anpirschte, während er ins Wasser schaute.
Mit einem Geräusch wie von reißendem Stoff flog die Eingangsplane des Zeltes auf, als Königin Islanzadi sie beiseitestieß und zum Spiegel stürmte. Sie trug einen glänzenden Harnisch aus goldenen Metallplättchen, verstärkt mit einem Kettenhemd, dazu Beinschienen sowie einen herrlich verzierten, mit Opalen und anderen Edelsteinen besetzten Helm, der ihre fließenden schwarzen Locken zurückhielt. Ein roter, mit Weiß abgesetzter Umhang blähte sich um ihre Schultern. Er erinnerte Eragon an eine heraufziehende Gewitterfront. In der linken Hand hielt sie ein gezogenes Schwert. Die rechte war leer, sah aber aus, als trüge sie einen karmesinroten Handschuh. Kurz darauf bemerkte Eragon, dass Blut ihr Handgelenk bedeckte und von ihren Fingern tropfte.
Islanzadis schräge Augenbrauen zogen sich zusammen, als sie Eragon ansah. In diesem Moment sah sie Arya verblüffend ähnlich, auch wenn ihre Statur und Körperhaltung noch beeindruckender waren als die ihrer Tochter. Sie war schön und schrecklich zugleich, wie eine furchterregende Kriegsgöttin.
Eragon führte die Finger zu den Lippen, dann drehte er die rechte Hand vor der Brust, als Zeichen der Treue und Ehrerbietung, und sprach als Erster die traditionellen Begrüßungsworte, wie es sich gehörte, wenn der andere von höherem Rang war. Islanzadi gab die erwartete Antwort, und um ihr eine Freude zu machen und zu zeigen, dass er ihre Bräuche kannte, schloss er mit der möglichen dritten Zeile der elfischen Begrüßung: »Und mögest du Frieden im Herzen tragen.«
Die Wildheit in Islanzadis Haltung verminderte sich etwas und ein leises Lächeln spielte um ihre Lippen, wie um zu zeigen, dass sie seinen Schachzug wohl bemerkt hatte. »Du in deinem ebenfalls, Schattentöter.« In ihrer klangvollen Stimme meinte er rauschende Kiefernnadeln, gurgelnde Bäche und Musik aus Schilfrohrflöten wie aus weiter Ferne zu hören. Sie steckte das Schwert in die Scheide und schritt quer durch das Zelt zu einem Tisch, an dem sie seitlich zu Eragon stehen blieb und sich das Blut mit Wasser aus einer Kanne abwusch. »Ich fürchte, Frieden ist dieser Tage schwer zu bekommen.«
»Sind die Kämpfe schlimm, Majestät?«
»Bald werden sie es sein. Meine Leute sammeln sich am westlichen Rand von Du Weldenvarden, wo wir uns im Schutz unserer geliebten Bäume auf das Töten und Getötetwerden vorbereiten. Wir sind ein versprengtes Volk und marschieren nicht - das Land verwüstend - in Reih und Glied wie andere. So dauert es eine ganze Weile, bis wir uns aus den hintersten Waldregionen zusammengefunden haben.«
»Ich verstehe. Nur...« Er versuchte, seine Frage nicht unhöflich klingen zu lassen. »Wenn die Kämpfe noch gar nicht begonnen haben, wundert es mich, dass Eure Hand blutig ist.«
Islanzadi schüttelte Wassertropfen von den Fingern und hob ihren makellosen goldbraunen Unterarm, sodass Eragon ihn sehen konnte. Da erkannte er, dass sie für die Skulptur zweier ineinander verschlungener Arme im Vestibül seines Baumhauses in Ellesméra Modell gestanden hatte. »Jetzt nicht mehr. Blut hinterlässt nur Flecken auf der Seele, nicht am Körper. Ich habe gesagt, die Gefechte würden in naher Zukunft eskalieren, nicht dass sie noch nicht angefangen hätten.« Sie zog den Ärmel ihres Harnischs und des darunterliegenden Gewandes wieder bis zu den Handgelenken herab. Von dem juwelenbesetzten Gürtel, der sich um ihre schlanke Taille wand, nahm sie einen mit Silberfäden bestickten Handschuh und zwängte ihre Hand hinein. »Wir haben die Stadt
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