Die Weisheit des Feuers
war.
»Bitte erhebe dich«, sagte Nasuada. Er tat wie geheißen und legte eine Hand auf den Hammerkopf. Dann wartete er, während ihr Blick über ihn wanderte. »Meine Position erlaubt mir nur selten den Luxus klarer, direkter Worte, Roran, aber heute möchte ich offen mit dir sein. Du scheinst mir ein Mann zu sein, der das zu schätzen weiß, und wir haben in kurzer Zeit viel zu besprechen.«
»Habt Dank, Herrin. Lange um den heißen Brei herumzureden, war noch nie meine Sache.«
»Ausgezeichnet. Dann los: Du stellst mich vor zwei Probleme, die beide nicht leicht zu lösen sind.«
»Was für Probleme?«, fragte er stirnrunzelnd.
»Ein menschliches und ein politisches. Deine Taten im Palancar-Tal und während deiner anschließenden Flucht mit den Dorfbewohnern waren nahezu unglaublich. Es ist offensichtlich, dass du großen Wagemut besitzt und geschickt bist im Kampf und im strategischen Planen. Darüber hinaus bringst du die Menschen dazu, dir mit bedingungsloser Loyalität zu folgen.«
»Sie mögen mir gefolgt sein, aber sie haben sicherlich nie aufgehört, mich infrage zu stellen.«
Ein Lächeln schlich sich auf Nasuadas Lippen. »Mag sein. Aber du hast sie hergeführt, nicht wahr? Du besitzt wertvolle Talente, Roran, und die Varden könnten dich gut gebrauchen. Kann ich davon ausgehen, dass du uns zu dienen wünschst?«
»Das könnt Ihr.«
»Wie du weißt, hat Galbatorix seine Streitmacht auseinandergezogen und Truppen tiefer in den Süden geschickt, um die Stadt Aroughs zu stärken, nach Westen Richtung Feinster und nordwärts Richtung Belatona. Er will den Krieg in die Länge ziehen, um uns zu zermürben und langsam aufzureiben. Jörmundur und ich können nicht an Dutzenden Schauplätzen gleichzeitig sein. Wir brauchen vertrauenswürdige Hauptmänner, um die zahllosen Kämpfe zu gewinnen, die überall ausbrechen. Dabei könntest du uns sehr hilfreich sein. Aber...« Ihre Stimme erstarb.
»Aber Ihr wisst nicht, ob Ihr Euch auf mich verlassen könnt.«
»Ganz genau. Seine Familie und Freunde zu beschützen, stärkt einem den Rücken. Aber ich frage mich, wie du dich
ohne
diese Motivation schlägst. Behältst du die Nerven? Kannst du Befehle auch
befolgen
oder nur erteilen? Ich möchte deinen Charakter nicht infrage stellen, Roran, aber Alagaësias Schicksal steht auf dem Spiel. Ich kann nicht riskieren, meine Männer unter den Befehl eines Unfähigen zu stellen. Dieser Krieg verzeiht solche Fehler nicht. Außerdem wäre es gegenüber den Männern, die schon länger bei den Varden sind, nicht fair, dich ohne guten Grund zu ihrem Anführer zu machen. Du musst dir deine Stellung bei uns verdienen.«
»Ich verstehe. Was soll ich also tun, Herrin?«
»Ah, so einfach ist das nicht. Du und Eragon, ihr seid praktisch Brüder und das verkompliziert die Sache immens. Wie du sicherlich weißt, ist Eragon die Basis all unserer Hoffnungen. Deshalb ist es wichtig, dass er sich ohne jede Ablenkung auf die vor ihm liegende Aufgabe konzentrieren kann. Falls ich dich in die Schlacht schicke und du darin umkommst, könnten ihn Trauer und Zorn aus der Fassung bringen. So etwas habe ich schon erlebt. Des Weiteren muss ich genau darauf achten, mit
wem
du dienst, denn es wird Personen geben, die dich aufgrund deiner Beziehung zu Eragon beeinflussen wollen. So, nun kennst du in etwa das Ausmaß meiner Bedenken. Was sagst du dazu?«
»Wenn es bei diesem Krieg um das Schicksal Alagaësias geht, wie Ihr sagt, dann könnt Ihr es Euch nicht leisten, mich tatenlos herumsitzen zu lassen. Mich als gewöhnlichen Schwertkämpfer einzusetzen, wäre ebenfalls eine Vergeudung. Aber ich glaube, das wisst Ihr bereits. Und was die politische Seite anbelangt...« Er zuckte mit den Schultern. »Mir ist es egal, an wessen Seite ich kämpfe. Niemand wird über mich an Eragon herankommen. Mein einziges Ziel ist es, das Imperium zu besiegen, damit meine Leute nach Carvahall zurückkehren und dort in Frieden leben können.«
»Du zeigst große Entschlossenheit.«
»Ja. Könnte ich nicht einfach die Männer aus meinem Dorf befehligen? Wir sind wie eine Familie und gemeinsam sind wir kampferprobt. Prüft mich doch auf diese Weise. So würden die Varden nicht darunter leiden, falls ich versage.«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Vielleicht später, aber jetzt noch nicht. Die Männer brauchen eine vernünftige Ausbildung. Außerdem kann ich deine Leistung nicht beurteilen, wenn du Leute befehligst, die dir so ergeben sind, dass sie
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