Die Weisheit des friedvollen Kriegers
Gegenwart zusammenstoßen, lösen sie sich auf in Nichts.«
Sollte es im Pfad des friedvollen Kriegers so etwas wie eine Hauptlehre geben, eine Art roten Faden, dann wäre es die vom gegenwärtigen Moment, vom Augenblick der Wirklichkeit. Das erinnert mich an einen Schüler von der Highschool, der mir einmal sagte, einen Workshop könne er bei mir nicht besuchen. Aber ob ich denn nicht kurz einen guten Rat für ihn hätte. Ich antwortete ihm damals: »Hier und jetzt, atmen und entspannen.« Falls der junge Mann die Prinzipien, die sich hinter diesen sechs Worten verbergen, beherzigt und praktiziert, sie zum Mittelpunkt seines Lebens gemacht hat, brauchte er darüber hinaus nicht mehr viel zu lernen.
In diesem Moment gibt es nur eines, was wir tun, nur einen Ort, an dem wir uns aufhalten.
Natürlich können wir uns an Vergangenes erinnern oder den nächsten Tag planen. Besser wäre es aber, nicht allzu sehr an diesen Plänen festzuhalten. Da kann sich so allerlei ändern. Man sagt ja nicht ohne Grund: »Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, brauchst du ihm nur von deinen Plänen zu berichten.«
Unsere Unzufriedenheit und Enttäuschungen ergeben sich größtenteils aus Gedanken an Vergangenheit oder Zukunft. Beide können uns niederringen (etwa, wenn wir schon vor Morgengrauen aus dem Schlaf aufschrecken und uns mit Traumata plagen, die schon Jahre zurückliegen, oder mit all den Dingen, die wir den Tag über erledigen müssen). Mit dem aber, was in diesem Moment unmittelbar vor uns liegt, werden wir allemal fertig. Steuern können wir nur das, was wir im gegenwärtigen Moment tun. Aus der Qualität dieser Momente aber ergibt sich unsere ganze Lebensqualität.
Das Leben bringt viele Verpflichtungen mit sich. Ganz einfach wird es, wenn wir uns vor Augen führen, dass wir immer nur eins nach dem anderen erledigen können. Halten wir uns daran, und alles wird gut.
Eine kleine Berufsberatung
Ungehemmt durch Spannungen oder Ängste, strömten die Ideen mir nur so aus dem Kopf. Dann war’s vorbei, und mir wurde allmählich bewusst, dass ich meine Universitätsausbildung abgeschlossen hatte.
Ich brachte frischen Apfelsaft mit zur Tankstelle, um mit Socrates den Prüfungstag zu feiern. Wie wir so ruhig saßen und
unseren Saft schlürften, wanderten meine Gedanken wieder mal davon – in die Zukunft.
»Wo bist du?«, fragte Socrates. »Wie spät ist es?«
»Hier, Soc, hier bin ich – jetzt. Aber meine gegenwärtige Realität ist, dass ich einen Beruf brauche. Weißt du keinen Rat?«
»Mein Rat ist, tu, was du willst.«
»Na, das ist nicht besonders hilfreich. Fällt dir sonst etwas ein?«
»Ja, tu, was du musst.«
»Aber was?«
»Entscheidend ist nicht, was du machst, sondern nur, wie gut du es machst.«
Über diesen letzten Satz von Soc habe ich mir lange den Kopf zerbrochen. Er hörte sich für mich an wie: »Wen du heiratest, ist völlig wurst, Hauptsache, die Ehe funktioniert.« Da aber jeder von uns seine eigenen Wertvorstellungen, seine individuellen Talente und Interessen hat, spielt es (jedenfalls im konventionellen Sinn) letzten Endes wohl doch eine Rolle, welchen Beruf (oder Partner) wir wählen. Diese zwei Entscheidungen können die wichtigsten unseres ganzen Lebens sein. Beide sind es deshalb wert, mit dem Herzen getroffen zu werden.
Was Socrates aber, glaube ich, hervorheben wollte, war, dass das Wichtigste nicht sei, wie besessen nach dem richtigen Job oder Partner zu fahnden. Man solle seine Wahl treffen und dann konsequent sein Bestes geben.
Von einem kosmischen Standpunkt aus betrachtet (wie ihn Socrates eigentlich immer einnahm), sind nur die wenigsten Dinge so ernst, wie wir meinen. Also:
Wofür auch immer wir uns entscheiden, es ist okay, denn es ist Teil unserer Ausbildung zum friedvollen Krieger im Dojo des Alltags.
Eine gewisse Phase der Selbsterkundung und des Experimentierens tut den meisten von uns (besonders im zweiten und dritten Lebensjahrzehnt) trotzdem gut. Sie hilft, den Beruf zu finden und später auszuüben, der unseren Talenten und Interessen am besten entspricht – eine Arbeit, die wichtig für uns ist und uns ausfüllt.
Nicht immer ging es um Erfüllung. Mein Vater beispielsweise wuchs während der großen Wirtschaftskrise Ende der Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts auf, als die Männer weit, weit reisten, um überhaupt irgendeine Arbeit zu finden, mit der sie ihre Familien über Wasser halten konnten. Ob diese Jobs ihnen außer einem bisschen
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