Die weiße Bestie: Thriller (German Edition)
besser selbst erzählen. Das Einzige, was er sagen wollte, war, dass Caroline herausgefunden hatte, dass Martin sich an den Mädchen aus Asabo vergriffen hatte.
John Hansen starrte in die Luft. Gedankenverloren legte er das Handy vor sich auf den Nachttisch und stand vom Bett auf. Die Hose und das kurzärmelige Hemd, die er gestern getragen hatten, lagen auf dem Boden. Er zog die Sachen an, steckte das Handy in das Etui am Gürtel und lief wie ein Zombie durchs Haus. In der Küche machte er sich eine Tasse Kaffee und ging dann auf die Terrasse hinaus. Er schaute in den Garten und hörte den Kindern des Nachbarn zu, die wie immer früh wach waren und auf der anderen Seite des Bretterzauns spielten.
Seine Gedanken sprangen von einem zum anderen. Caroline– Martin– Stanley– Dana Oil. Vor seinem inneren Auge tauchte ein Bild von Martin auf.
John Hansen war kein sentimentaler Mensch, aber selbst in Kenia war Vergewaltigung keine Alltäglichkeit. Er würde seinen Stellvertreter vielleicht nie wiedersehen. Das war nicht deshalb traurig, weil sie Freunde gewesen waren, aber Martin war derjenige, der hier in diesem gottverlassenen Land einem Freund am nächsten kam. Sie unterhielten sich immer gut miteinander, und ein paarmal hatten sie nach der Arbeit auch ein Bier zusammen getrunken, was John Hansen genossen hatte. Aber damit war jetzt Schluss; ungeachtet dessen, ob Martin überlebte oder nicht.
Er dachte an seine Schwester. Vielleicht hatte sie doch recht, wenn sie sagte, er sei kein Menschenkenner. Was Martin anging, hatte er sich auf jeden Fall geirrt. Hatte gedacht, seine dunkle Seite wäre auf die Geschäftsmethoden begrenzt.
Und Stanley? Er wollte wissen, wie er in das alles hineingezogen worden war. Wenn er es richtig verstanden hatte, befand sich Caroline in diesem Moment bei dem Fahrer. Er stellte sich die Prinzessin aus Kopenhagen draußen im Slum vor. Mit ihren schönen Sachen und den frisch geglätteten Haaren. Wäre die Situation nicht so tragisch, hätte er über dieses Bild lauthals gelacht.
Der Nairobi-Chef dachte an Dana Oil. Es war zu unübersichtlich, um Vermutungen darüber anzustellen, was jetzt mit dem Büro in Kenia passieren würde. Für sich selbst beschloss er zu hoffen, dass diese Situation keine Bedeutung dafür hätte, ob sie wie bisher weitermachen konnten oder nicht. Rationell betrachtet wäre es Wahnsinn, die Aktivitäten jetzt zu stoppen; das Unternehmen hatte viele Millionen investiert. Aber er wusste, der Gedanke war naiv. Wenn die Geschichte an die Öffentlichkeit gelangte– und das taten solche Geschichten immer–, würde das ein ernstes Problem für die Glaubwürdigkeit des Unternehmens werden. Ein Problem mit Konsequenzen.
Er erhob sich und ging ins Wohnzimmer, wo auf dem dunkelbraunen Barschrank ein sauberes Glas stand. Es gluckerte, als er den Whisky eingoss. Er hob das Glas an und starrte auf die goldbraune Flüssigkeit.
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Caroline stöhnte vor Schmerzen. Die Schulter tat weh, egal, wie vorsichtig sie versuchte, sich im Bett umzudrehen, und es fühlte sich an, als würde jemand in ihrem Kopf herumtrampeln. Sie ließ den Blick zwischen den Plastikblumen, den Gardinen und der hellroten Bettwäsche umhergleiten.
Caroline Kayser, Anwaltstochter aus Søllerød, Karrierefrau aus Kopenhagen, lag in einem Bett in einem der schlimmsten Slums der Welt, mit Schmerzen in der Schulter und einem Verband um die Hand, weil sie von einem– als was sollte man ihn bezeichnen? Pädophilen? Vergewaltiger? – gejagt worden war. Einem Kriminellen, der jetzt im Krankenhaus lag, bewusstlos, nach einem Schlag gegen den Kopf. Ausgeführt von ihr.
Sie war entsetzt. Schockiert. Beschämt. Sie dachte an die Frau, die schutzlos in dem Etagenbett gelegen hatte, als Caroline und Martin in ihr Zuhause eingebrochen waren. Wie sie in ihrer Verzweiflung, ihr eigenes Leben zu retten, bereit gewesen war, das der Frau zu opfern. Hoffentlich hatten die Männer, die Martin in der Hütte gefunden hatten, ihr geholfen. Aber das rechtfertigte noch immer nicht Carolines Verhalten. Sie hatte die Frau erschreckt und ihren Tisch und die Lampe, die darauf gestanden hatte, zerschmettert. Beides war für diese Frau garantiert viel Geld wert gewesen.
Das stärkste Gefühl, das alle Winkel ihres Körpers erfüllte, war Ekel. Ekel vor Martin. Vor dem Gedanken daran, was er den kleinen Mädchen angetan hatte. Davor, in einem Unternehmen zu arbeiten, das solche Menschen angestellt hatte. Hätte Markvart sie nach
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