Die Weiße Burg
gewesen wäre, vor allem, nachdem diese Schlampe ihn heute vor all den anderen Frauen heruntergemacht hatte! -, aber Besprechungen mit Sarand und Marne hatten vielleicht zu bedeuten, dass Elayne doch ungekrönt sterben sollte. Vielleicht war er trotz all der Versprechungen, es mit einer Königin treiben zu können, nur auf seinen Posten gelangt, um sie in einem bestimmten Augenblick zu töten, wenn ihr Tod ein bestimmtes Ergebnis zur Folge hatte, auf das Shiaine aus war. Beziehungsweise der Auserwählte, der ihr ihre Befehle gegeben hatte. Moridin hieß der Kerl, ein Name, den Hanlon nie zuvor gehört hatte. Das störte ihn nicht. Wenn ein Mann den Mut hatte, sich als Auserwählter zu bezeichnen, war Hanlon nicht so dumm, ihn in Frage zu stellen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er bei diesem ganzen Unternehmen nicht mehr als ein Dolch war, gab ihm zu denken. Solange der Dolch seine Arbeit machte, welche Rolle spielte es dann, wenn er dabei zerbrach? Es war viel besser, die Faust am Griff zu sein als die Klinge.
»Habt Ihr gesehen, ob Gold den Besitzer gewechselt hat?«, fragte er. »Habt Ihr etwas gehört?«
»Das hätte ich gesagt«, erwiderte sie schmallippig. »Und unserer Übereinkunft zufolge bin ich jetzt mit einer Frage dran.«
Es gelang ihm, seine Gereiztheit hinter einer erwartungsvollen Miene zu verbergen. Die dumme Gans erkundigte sich immer nach den Aes Sedai im Palast oder nach jenen, die sie Kusinen nannte, oder nach den Meervolk-Frauen. Alberne Fragen. Wer mit wem freundschaftlich umging und wer nicht. Wer sich zu privaten Gesprächen traf und wer sich aus dem Weg ging. Was er aufgeschnappt hatte. Als hätte er nichts anderes zu tun, als in den Korridoren herumzulungern und ihnen nachzuspionieren. Er log sie nie an - das Risiko, dass sie die Wahrheit erfuhr, war zu groß; selbst wenn sie in diesem Haus als Dienerin arbeiten musste, war sie schließlich eine Aes Sedai! -, aber es fiel immer schwerer, Dinge zu finden, die er ihr noch nicht erzählt hatte, und sie bestand darauf, dass er ihr Informationen gab, wenn er welche zu bekommen gedachte. Aber heute hatte er nur ein paar unbedeutende Sachen anzubieten: Vom Meervolk reisten ein paar Frauen ab, und sie alle waren den ganzen Tag herumgelaufen, als hätte ihnen jemand Eiszapfen in die Kragen gesteckt. Damit würde sie sich zufrieden geben müssen. Was er wissen musste, war wichtig, das war kein verdammter Klatsch.
Aber bevor sie ihre Frage stellen konnte, wurde die Hoftür geöffnet. Murellin war groß genug, um fast den Türrahmen zu füllen, aber eisige Kälte schoss herein, ein Windstoß, der das kleine Feuer tanzen ließ und Funken den Schornstein hinaufschickte, bis der große Mann die Tür zustieß. Er schien die Kälte nicht zu bemerken, andererseits sah sein brauner Mantel so dick wie zwei Umhänge aus. Darüber hinaus hatte der Mann nicht nur die Größe eines Ochsen, sondern auch dessen Verstand. Er knallte einen großen Holzbecher auf den Tisch, schob beide Daumen hinter den breiten Gürtel und musterte Hanlon aufgebracht.
»Ihr macht mit meiner Frau rum?«, knurrte er.
Hanlon zuckte zusammen. Nicht, weil er vor Murellin Angst hatte, nicht, wenn der Dummkopf auf der anderen Seite des Tisches stand. Was ihn überraschte, war die Aes Sedai, die vom Stuhl aufsprang und die Weinkanne vom Tisch riss. Sie warf Gewürznelken und Ingwer hinein, fügte einen Löffel Honig hinzu und ließ die Kanne umherwirbeln, so als würde das alles vermischen, dann holte sie mit einem Zipfel ihres Rocks den Schürhaken aus dem Feuer und hielt ihn in die Kanne, ohne sich vorher zu vergewissern, ob er überhaupt schon heiß genug war. Dabei sah sie nicht einmal in Murellins Richtung.
»Eure Frau?«, sagte Hanlon vorsichtig. Das entlockte seinem Gegenüber ein hämisches Grinsen.
»So gut wie. Die Lady meint, ich könnte genauso gut das benutzen, was Ihr nicht wollt. Fally und ich halten einander nachts warm.« Murellin ging noch immer grinsend um den Tisch herum, aber jetzt in Richtung der Frau. Ein Ruf hallte durch den Korridor, und er blieb seufzend stehen. Das Grinsen verschwand.
»Falion!«, erklang Shiaines Stimme aus der Ferne.
»Bring Hanlon rauf, und zwar schnell!« Falion stellte die Kanne hart genug auf dem Tisch ab, dass der Wein über den Rand schwappte, und eilte schon zur Tür, bevor Shiaines Ruf verhallt war. Wenn die andere Frau die Stimme erhob, dann sprang Falion.
Auch Hanlon sprang, allerdings aus anderen Gründen. Er holte sie ein und
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