Die Weiße Burg
vergangenen Zeitalter. Es war eine andere Frau gewesen, die an Land gegangen und von der Oberin der Novizinnen empfangen worden war.
Gareth schüttelte missbilligend den Kopf. Aber er gab niemals auf, oder? »Ihr müsst die Weiße Burg am Leben erhalten, Mutter, aber es ist meine Aufgabe, sie Euch zu übergeben. Falls sich die Dinge nicht geändert haben und ich nicht darüber informiert sein sollte. Ich sehe doch, wie die Schwestern flüstern und über die Schulter blicken, selbst wenn ich dafür den Grund nicht kenne. Wenn Ihr die Burg haben wollt, wird es zu einem Sturmangriff kommen, und zwar besser früher als später.«
Plötzlich erschien der Morgen dunkler, als wären Wolken vor die Sonne gezogen. Wie auch immer sie sich entschied, Tote würden sich wie Brennholz aufschichten, aber sie musste die Weiße Burg am Leben erhalten. Sie musste es. Wenn es keine guten Möglichkeiten gab, musste man die wählen, die am wenigsten falsch erschienen.
»Ich habe hier genug gesehen«, sagte sie leise. Mit einem letzten Blick auf den schmalen Rauchstreifen jenseits der Stadt lenkte sie Daishar in Richtung der Bäume, die hundert Schritte vom Ufer entfernt standen; dort wartete ihre Eskorte unter den winterkahlen Buchen und Birken und dem immergrünen Farnen.
Zweihundert Mann leichte Kavallerie in Brustpanzern aus Leder oder mit Eisenscheiben bestickten Mänteln hätten am Ufer mit Sicherheit Aufmerksamkeit erregt, aber Gareth hatte sie von der Notwendigkeit dieser Männer mit ihren schlanken Lanzen und kurzen Reiterbogen überzeugt.
Zweifellos stieg der Rauch am anderen Ufer von brennenden Proviantwagen auf. Nadelstiche, aber diese Nadelstiche kamen jede Nacht, manchmal nur einmal, manchmal auch zwei- oder dreimal, und mittlerweile hielt jeder nach dem Aufstehen sofort nach aufsteigendem Rauch Ausschau. Bislang hatte es sich als unmöglich erwiesen, die Angreifer zu stellen. Plötzliche Schneestürme prasselten auf die Verfolger nieder, oder unvermittelt auftretende Eiswinde verwischten die Spuren, und der Schnee jenseits der letzten Hufabdrücke war so unberührt wie frisch gefallen. Die Rückstände von Geweben machten deutlich, dass sie Hilfe von Aes Sedai hatten, und es wäre dumm gewesen, das Risiko einzugehen, dass Elaida Männer und vielleicht auch Schwestern auf dieser Seite des Flusses hatte. Nur wenige Dinge hätten Elaida mehr Freude gemacht, als Egwene al'Vere in die Hände zu kriegen.
Natürlich war das nicht ihre ganze Eskorte. Außer Sheriam, ihrer Behüterin der Chroniken, hatten sie an diesem Morgen sechs Aes Sedai begleitet, die ihre Behüter mitgenommen hatten. Hinter den Schwestern warteten acht Männer in farbverändernden Umhängen, die auf Übelkeit erregende Weise wogten, wenn der Wind sie erfasste, und ansonsten Teile der Reiter und Pferde scheinbar mit den Baumstämmen verschmelzen ließen. Sich der Gefahren bewusst - zumindest von den Stoßtrupps - und sich darüber im Klaren, dass ihre Aes Sedai bis zum Zerbersten angespannt waren, beobachteten sie das sie umgebende Wäldchen, als wären die Kavalleristen nicht da. Ihre Hauptsorge galt der Sicherheit ihrer Aes Sedai, und die vertrauten sie niemand anderem an. Sarin, ein kleiner Mann mit schwarzem Bart, der weniger klein als vielmehr sehr breit war, hielt sich so nahe an Nisao, dass er die winzige Gelbe zu überragen schien, und Jori schaffte es, Morvrin zu überragen, obwohl er kleiner als sie war. Er war so breit wie Sarin, für einen Cairhiener aber sehr klein. Myrelles drei Behüter - die drei, zu denen sie sich öffentlich zu bekennen wagte - drängten sich um sie, sodass sie ihr Pferd nicht hätte in Bewegung setzen können, ohne vorher eines der ihren aus dem Weg zu drängen. Setagana, der Behüter von Anaiya, schlank, dunkel und so attraktiv, wie sie unscheinbar war, schaffte es beinahe, sie allein zu umgeben, und Tervail mit seiner eindrucksvollen Nase und dem vernarbten Gesicht tat das Gleiche mit Beonin. Carlinya hatte keinen Behüter, für eine Weiße nicht ungewöhnlich, aber sie musterte die Männer aus den Tiefen ihrer pelzverbrämten Kapuze, als würde sie darüber nachdenken, sich einen zuzulegen.
Vor gar nicht so langer Zeit hätte Egwene gezögert, mit diesen sechs Frauen gesehen zu werden. Genau wie Sheriam hatten sie ihr die Treue geschworen, aus unterschiedlichen Gründen, und weder sie noch Egwene wollten, dass dies bekannt wurde oder man es überhaupt vermutete. Sie waren ihre Möglichkeit gewesen, die Ereignisse
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