Die Weiße Burg
Siuan würde Euch... zu gut beraten, so wie Ihr die Kriegserklärung gegen Elaida zustande gebracht habt. Aber sie ist noch immer verärgert wegen ihrer veränderten Lebensumstände, nicht wahr? Jetzt betrachtet man Sheriam als die Schuldige. Wie dem auch sei, die Ajahs wollen eine kleine Warnung, bevor Ihr mit der nächsten Überraschung kommt.«
»Ich danke Euch für den Hinweis«, sagte Egwene höflich. Schuldige? Sie hatte dem Saal bewiesen, dass sie nicht seine Marionette sein würde, und doch beharrten die meisten weiterhin darauf, dass sie die eines anderen sein musste. Wenigstens ahnte niemand die Wahrheit über ihren Rat. Jedenfalls konnte man das nur hoffen.
»Es gibt einen weiteren Grund, warum Ihr misstrauisch sein solltet«, fuhr Delana fort, und die Intensität in ihrem Blick strafte die Teilnahmslosigkeit in ihrer Stimme Lügen. Das hier war ihr wichtiger, als sie Egwene wissen lassen wollte. »Ihr seid Euch vielleicht sicher, dass jeder Rat, den eine von ihnen gibt, direkt von der Führung ihrer Ajah kommt, und wie Ihr wisst, sind die Führung einer Ajah und ihre Sitzenden nicht immer einer Meinung. Zu sehr darauf zu hören könnte Euch Probleme mit dem Saal bescheren. Nicht jede Entscheidung betrifft den Krieg, das dürft Ihr nicht vergessen, aber Ihr wollt doch sicherlich, dass einige davon Eurem Willen entsprechen.«
»Eine Amyrlin sollte jede Seite anhören, bevor sie eine Entscheidung trifft«, erwiderte Egwene, »aber ich werde an Eure Warnung denken, wenn sie mich beraten, Tochter.« Hielt Delana sie für eine Närrin? Vielleicht versuchte die Frau auch nur, sie wütend zu machen. Wut führte zu hastigen Entscheidungen und groben Worten, die man manchmal nur schwer wieder zurücknehmen konnte. Sie hatte keine Ahnung, worauf Delana eigentlich hinauswollte, aber wenn die Sitzenden sie nicht auf eine Weise gefügig machen konnten, versuchten sie es auf eine andere. Seit man sie zur Amyrlin erhoben hatte, hatte sie viel Übung darin, solchen Bestrebungen aus dem Weg zu gehen. Sie nahm tiefe, regelmäßige Atemzüge und fand das Gleichgewicht der Ruhe. Auch darin hatte sie in letzter Zeit zu viel Übung.
Die Graue schaute sie am Rand ihrer Kapuze vorbei an; ihr Gesicht war völlig ausdruckslos. Aber ihre blauen Augen blickten jetzt bohrend scharf. »Ihr könntet sie fragen, was sie davon halten, mit Elaida Verhandlungen aufzunehmen, Mutter.«
Beinahe hätte Egwene gelächelt. Die Pause war sehr künstlich gewesen. Anscheinend missfiel es Delana, von einer Frau Tochter genannt zu werden, die jünger als die meisten Novizinnen war. Jünger als die meisten, die aus der Burg stammten. Andererseits war Delana selbst zu jung, um eine Sitzende zu sein. Und sie konnte ihr Temperament nicht so gut zügeln wie eine Wirtstochter. »Und warum sollte ich sie das fragen?«
»Weil das Thema in den letzten Tagen im Saal aufgekommen ist. Nicht als Vorschlag, aber es ist erwähnt worden, sehr verstohlen, und zwar von Varilin und Takima, und auch von Magla. Und Faiselle und Saroiya schienen daran interessiert zu sein, was sie zu sagen hatten.«
Ruhe oder nicht, plötzlich wand sich Zorn wie ein Wurm in Egwenes Innerem, und es war keine leichte Aufgabe, ihn zu zerquetschen. Diese fünf waren vor der Spaltung der Burg Sitzende gewesen, aber was noch wichtiger war, sie gehörten den beiden Hauptfraktionen an, die um die Vorherrschaft des Saals kämpften. Tatsächlich teilten sie sich zwischen Romanda und Lelaine auf, aber die beiden würden einander auch dann noch bekämpfen, wenn es bedeutete, dass sie beide ertranken. Und sie hatten ihre Anhängerinnen eisern im Griff.
Egwene hätte sich vielleicht vorstellen können, dass die anderen von den Ereignissen in Panik versetzt worden waren, aber nicht Romanda oder Lelaine. Seit mehreren Tagen waren die Debatten über Elaida oder die Zurückeroberung der Burg beinahe vollständig von besorgten Unterhaltungen über diese unglaublich mächtige, unmöglich lange Eruption der Einen Macht überschattet worden. Fast jeder wollte wissen, was sie verursacht hatte, und fast jeder hatte Angst vor der Antwort. Erst gestern hatte Egwene den Saal davon überzeugen können, dass es für eine kleine Gruppe möglich sein musste, gefahrlos an den Ort zu Reisen, an dem diese Eruption stattgefunden hatte - sogar die Erinnerung war für jeden stark genug, um die Stelle genau zu lokalisieren -, und die meisten Schwestern schienen kollektiv den Atem anzuhalten, bis Akarrin und die anderen
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