Die weiße Frau von Devils Rock
Strohhalm. „Hör auf damit, Ashton, ich bitte dich“, schluchzte sie verzweifelt. „Sei wieder mein liebevoller, treu sorgender Ehemann, auf den ich mich verlassen kann und der seine kleine Familie über alles stellt. Du hast dich so verändert, dass ich mich manchmal vor dir fürchte.“
„Ich weiß“, gab der Mann unglücklich zu. „Ich spüre ja selbst, dass etwas nicht stimmt. Nur kann ich nicht sagen, woran das liegt, und ich kann auch nie voraussagen, wann es wieder passiert. Hilf mir, Charly, ich bitte dich sehr darum. Lass mich nicht im Stich. Ich stehe vor einem Rätsel.“
„Sprich mit Marvin darüber“, antwortete Charlene und fühlte sich dabei so hilflos wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Ihre Liebe gehörte noch immer ihrem Ehemann, und doch hatte sich in den letzten Wochen etwas an diesen ach so ewig geglaubten Gefühlen in ihrem Herzen etwas verändert, seit er sich verändert hatte.
„Marvin?“ Er schob sie ein Stück von sich, damit er in ihr Gesicht sehen konnte. „Was ist mit Marvin? Warum schickst du mich zu ihm?“ Sein Lachen klang fremd. „Oh, ich hab schon gesehen, wie er dich angeschaut hat“, fuhr er mit veränderter Stimme fort.
Charlene erstarrte innerlich zu einem Eisblock vor Entsetzen. „Bitte nicht schon wieder, Ashton“, flehte sie unter Tränen. „Was ist nur los mit dir. Komm zurück, ich liebe dich doch.“
Ihre Worte wirkten Wunder. Der Schleier von Ashtons Augen verschwand, und jetzt konnte sie wieder seine Liebe lesen, seine Sehnsucht, die er ihr schon lange nicht mehr gezeigt hatte. „Ich muss nachdenken, Charly“, meinte der unglückliche Mann geistesabwesend und wandte ihr den Rücken zu. „Seit einiger Zeit geht mir sehr viel durch den Kopf, das ich nicht einordnen kann. Geh mit Lady Angela durch den Park, vielleicht habe ich einen Weg gefunden, wenn du wieder zurück bist.“ Es war offensichtlich, dass er nicht mehr mit ihr sprechen wollte.
Leise schluchzend verließ Charlene das Zimmer. Schon der Gedanke, jetzt mit einer eigentlich fremden Frau die nächsten Stunden verbringen zu müssen, verursachte ihr ein körperliches Unbehagen. Worüber sollten sie reden? Über Kinder? Fieberhaft überlegte Charlene, unter welchem Vorwand sie Angela absagen konnte, aber es wollte ihr keiner einfallen. Sie würde wohl oder übel die Verabredung einhalten müssen, denn immerhin waren sie ja Gast im Hause der Lady.
Angela McGregor erwartete ihre Begleiterin bereits in der Halle. Sie saß auf einem der bequemen Stühle in der gemütlichen Sitzecke links von der Tür. Warmes, gelbes Licht erhellte die fensterlose Ecke. Das Mädchen, das Angela auf dem Schoß hielt, sah aus wie ein kleiner Engel.
„Entschuldigen Sie bitte meine Verspätung, Lady Angela“, sagte Charlene etwas verlegen. Sie wusste nicht, wohin sie ihren Blick wenden sollte, denn sie wollte nicht, dass die Lady sah, dass sie geweint hatte.
Angela merkte natürlich, dass ihren Gast etwas bedrückte, doch sie fragte nicht. Vielleicht ergab sich während des Spaziergangs eine Möglichkeit, mit ihr zu reden, nahm sich Lady Angela vor. "Möchten Sie den kleinen See anschauen?", fragte die Lady nachdem sie ein ganzes Stück Weg schweigend gelaufen waren. "Dort ist unser Lieblingsplatz. Dieser See ist natürlich entstanden, allerdings weiß ich nicht genau, wie. Unser Ahnherr, Laird Andrew, der den Erzählungen nach ein sehr grausamer Mensch gewesen sein soll, hatte einen intensiven Sinn für die Schönheiten der Natur. Deshalb ließ er diesen See, der zunächst noch ziemlich unscheinbar und voller Morast war, ausbauen und befestigen."
"Den würde ich sehr gern sehen", gab Charlene zu. Es fiel ihr ziemlich schwer, ihre Gedanken zu sammeln und auf das zu konzentrieren, was sie gerade tat. "Vielleicht treffen wir dort ja auch unsere beiden Kinder", fügte sie hinzu.
"Das glaube ich kaum", antwortete Lady Angela und lachte leise. "Benjamin hat da so seine eigenen Wege", fuhr sie fort. "Und die führen bestimmt nicht zu den lieblichen Teilen unseres Parks. Es gibt hier auch unbearbeitetes Land, das noch immer so bewachsen ist wie vor zweihundert Jahren. Unser Gärtner geht dort nur gelegentlich durch und zähmt die ungestüme Natur ein wenig."
"Ist das nicht gefährlich?"
"Sie müssen sich keine Sorgen machen, Charlene. Benjamin ist für sein Alter schon sehr vernünftig. Außerdem achten mein Mann und unser Gärtner darauf, dass trotz der
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