Die weiße Frau von Devils Rock
Religionsunterricht gelernt, dass die Seele unsterblich ist."
"Ich sagte von Anfang an, dass diese Privatschule, auf die wir unsere Tochter schicken, ihr Geld nicht wert ist." Ashtons Zorn schien immer größer zu werden. "Wenn wir wieder zuhause sind werde ich eine andere Schule für dich suchen, wo man dir nicht so einen Unsinn beibringt."
"Das ist kein Unsinn", begehrte Christina erschrocken auf. "Ich glaube an Geister und daran, dass meine Seele weiterleben wird, wenn ich mal gestorben bin." Sie war so erregt, dass ihr Tränen in die Augen gestiegen waren.
"Lass Christina in Ruhe. Jeder darf glauben, was er will und womit er sich am wohlsten fühlt. Du wirst auch eines Tages erkennen, dass man mit deiner Einstellung nicht glücklich werden kann." Charlene war nun ebenfalls wütend geworden.
Überrascht blickte Ashton seine Frau an. So kannte er sie gar nicht. Sonst war sie eher still und in sich gekehrt, duldsam und bescheiden. Dass sie sich einmal richtig zornig wehrte, das hatte er noch nicht bei ihr erlebt. "Ist ja gut", murrte er und schaute gespielt interessiert zum Fenster hinaus.
Die plötzliche Stille, die einsetzte, als die Räder still standen, legte sich wie ein undurchdringlicher Schleier über die Insassen der Kutsche. Eine unangenehme Stimmung war auf einmal da, die sich keiner erklären konnte.
Ashton fasste sich als erster. "Ich würde vorschlagen, wir lassen uns nichts anmerken", sagte er, ehe er erneut ausstieg. "Ich möchte nicht, dass über uns geredet wird." Seine Augen blickten hart, als würden sie ein Eigenleben führen in dem sonst so freundlichen, sanften Gesicht.
Charlene nahm ihre Tochter an der Hand, als beide ebenfalls die Kutsche verlassen hatte. Fast sah es aus, als würden sich die beiden aneinander festhalten, um gegen das gewappnet zu sein, das vor ihnen lag.
Laird Ian kam auf seine Gäste zu. Ein leichtes Lächeln umspielte seinen Mund. "Willkommen auf Rochester Castle", sagte er freundlich und reichte den Gästen die Hand. "Ich hoffe, Sie werden sich in den nächsten Tagen hier sehr wohl fühlen." Er gab dem Bediensteten Anweisung, dass er das Gepäck zu den Zimmern bringen sollte.
Lady Angela erwartete die Gäste im Salon und war vor allem von Charlene angenehm angetan. "Ich hoffe, wir werden genügend Zeit haben, um uns zu unterhalten." Sie lächelte Christina an, die sie ebenfalls begrüßte. "Unser Sohn Benjamin ist schon sehr gespannt auf dich, Christina", sagte sie freundlich.
"Wirklich?" Christina war, wie meistens, sehr spontan. "Da bin ich sehr froh. Wir könnten zusammen spielen und reden." Sie schaute sich suchend um in der Hoffnung, den Sohn des Hauses gleich kennen lernen zu können.
"Benny ist in seinem kleinen Reich, im Park", meinte Lady Angela lächelnd. "Aber ich verspreche dir, wir werden ihn spätestens beim Abendessen zu Gesicht bekommen." Sie wandte sich an Charlene. "Sicher möchten Sie erst einmal auspacken und sich ein wenig ausruhen. Ich zeige Ihnen die Zimmer."
Christina folgte den Erwachsenen in geringem Abstand. Immer wieder blieb das Mädchen stehen und betrachtete die Gemälde der Ahnen, die überall hingen. Ein Bild hatte es ihr besonders angetan.
"Wer ist das?", fragte sie und starrte in die eisblauen Augen des grimmigen Ahnherren, der den Mund zu einem grimassenartigen Grinsen verzogen hatte.
Laird Ian war stehen geblieben und folgte dem Blick des Kindes. "Das ist mein Urahn Laird Andrew", antwortete er freundlich. "Du musst dich nicht vor ihm erschrecken, es gibt ihn schon lange nicht mehr."
"Er war sehr böse, nicht wahr?" Christina war unfähig, den Blick von ihm zu wenden. "Er hat grausame Augen. Ich … ich fürchte mich vor ihm." Sie wich bis ans Geländer zurück.
"Laird Andrew war wirklich ein herzloser, grober Laird", gab Ian McGregor zu. "Aber die Zeiten damals waren auch anders als heute. Ein Laird hatte früher das Sagen über seine Bediensteten und Bauern, die von ihm abhängig waren. Da war die Gefahr ziemlich groß, dass er diese Macht ausnützte. Ich denke, das ist auch heute noch so, dass manche Menschen mit Macht nur schlecht umgehen können", fügte er hinzu, ehe er vollends die Treppe nach oben stieg.
Ein breiter Flur, ausgelegt mit dicken Teppichen, die fast jedes Geräusch verschluckten, tat sich vor ihnen auf. An den Wänden hatte man beidseitig kleine Öllämpchen angezündet, die ein spärliches Licht verbreiteten.
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