Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
Vom Netzwerk:
fragen:
    »Hör mal, du … Du bist natürlich abgehauen? Sag doch, was hast du bei denen gemacht?«
    »Wißt ihr«, antwortete Turbin langsam, »stellt euch vor, sie tragen Krankenhauskittel, die von Petljuras Blauer Division. Schwarze …«
    Turbin wollte noch etwas sagen, aber statt einer Rede geschah etwas Unerwartetes. Er schluchzte laut auf, schluchzte noch einmal und heulte dann los wie eine Frau, den Kopf mit der grauen Strähne in den Armen. Jelena, die noch nicht wußte, was los war, schluchzte ebenfalls auf. Scherwinski und Nikolka waren so verwirrt, daß sie blaß wurden. Nikolka besann sich als erster und eilte ins Sprechzimmer, um Baldrian zu holen. Scherwinski räusperte sich und sagte vor sich hin:
    »Ja, dieser Petljura ist eine Kanaille.«
    Turbin hob das vom Weinen verzerrte Gesicht und rief schluchzend:
    »Banditen! Aber ich … ich … bin ein Intelligenzlump.« Das war auch beiseite gesagt.
    Äthergeruch breitete sich aus. Nikolka zählte mit zitternden Händen Tropfen in ein Glas.

    Um halb vier schloß sich das Leben der Familie wie ein Ring um den warmen Platz des Zimmermanns von Zaardam. Man hatte abends geheizt, der Ofen hielt noch die Wärme. Die halbverwischten, zum Verschwinden verurteilten Inschriften blickten noch von der blanken Oberfläche, und die cremefarbenen Gardinen waren zugezogen. Die Uhr ging wie vor dreißig Jahren – tonk-tank, und ihr Schlag klang in dieser Nacht gewichtig und bedeutungsvoll.
    Der grüne Spieltisch war seitlich an den Ofen herangeschoben worden, sonst hätte er nicht genug Platz gehabt, und die goldhaarige Jelena, die alle Prüfungen durchgestanden hatte, die eine Frau innerhalb von anderthalb schrecklichen Monaten nur durchstehen kann, saß im Sessel am Ofen, um nicht immer wieder aufstehen zu müssen, wenn sich die Karten am Ende eines Robbers so ergaben. Ein flauschiges Tuch hüllte sie ein, ihre weißen Arme lagen auf der grünen Ebene des Tischs, und Scherwinski sah sie unverwandt an. In den langen Fingern lag weibliche Kraft, lagen Selbstsicherheit, Versöhnung und Ruhe.
    Lariossik, der Butterbrote gegessen und Tee getrunken hatte, wärmte sich linker Hand von Jelena, er vergaß allmählich Anjuta und den neuen Schicksalsschlag und konzentrierte sich auf die atlasblauen Sprenkel des geliebten Kartenspiels der Turbins.
    Nikolka spielte konzentriert und aggressiv, er hatte so die Vorstellung, Scherwinski dreißig Karbowanzen abnehmen zu können, der hatte immer Geld, oho! Trotz dieser Erwägungen hielt er die Ohren gespitzt und horchte aufmerksam, ob es nicht am Tor klopfte, ob nicht die Ketten klirrend antworteten. Er hatte alles gehörig organisiert, so wie er es an der Ingenieurhochschule gelernt hatte. Natürlich klappte es nicht immer, was sollte man machen, es gab auch Pech.
    Jedenfalls hatte er alles in Ehren getan. Der Gang aus der Küche war nur mit einem leichten Haken verschlossen. Den Schlüssel der Pforte zur Straße hatte er eingesteckt. Wenn Leute kämen, um den Arzt zu suchen, der aus dem Regiment geflohen war, wenn also bei ihm zu Hause gefahndet würde, mußte Alexej sofort aufstehen und durch den Hinterausgang in den Hof fliehen, von dort durch den schmalen Spalt zwischen den beiden Schuppen, Nikolka hatte ein Brett gelockert, dann die Anhöhe entlang durch die verschneiten Gräben in den Nachbarhof Nr. 15 und hinauf in den Garten, wo er warten würde, bis die Leute wieder weg wären.
    Was konnten die machen?
    Gar nichts.
    »Wo der Arzt ist? Eingezogen und mit dem Regiment weg. Er ist nicht mehr beim Regiment? Na, das ist nicht unsere Sache. Wir machen uns selber Sorgen und sind unruhig.«

    Aber niemand kommt, niemand. Das ist an allem zu spüren. Sogar an Jelenas warmen weißen Armen, auch an der Uhr. Tonk-tank. Auch an Lariossik, der sich in das göttliche Spiel Wint vertieft hat. Auch am Ofen. Die weißen Kacheln glänzen, verströmen Wärme, der Ofen ist ein geheimnisvoller weiser Felsen, wohlig warm.
    Eine Zeit ist das, eine Zeit … Ach, ach … Aber macht nichts, wir haben’s überlebt und werden’s weiter überleben. Nikolka trällert durch die Szene:
    Mützen – guter Ton,
Stiefel – mit Fasson …
    Aber die Gitarre mag den Marsch der Ingenieurkompanie nicht mehr spielen. Das gibt es nicht mehr … Etwas Neues, nie Gesehenes, Schreckliches rückt heran. Leise, Herrschaften, leise … Ach, ach …
    Messung – so zum Spaß,
nur nach Augenmaß …
    Niemand kommt. Niemand. Alexej quält sich unnötig in einem unruhigen

Weitere Kostenlose Bücher