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Die weiße Garde

Die weiße Garde

Titel: Die weiße Garde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Bibermütze. Unter der Mütze war der Kopf abscheulich verändert. Scherwinski hatte das Kunstwerk von Jean angefeuchtet und die Haare nach hinten gekämmt. Es sah gar nicht so schlecht aus. Ein gescheiter junger Mann mit huschenden Augen. Nichts von einem Offizier.
    »Ich fahre zu den Turbins und werde da übernachten«, rief er in der Diele und probierte noch ein gräßliches Kleidungsstück an.
    Jetzt waren die Haare getrocknet und sträubten sich hoch. Mein Gott.
    »Machen Sie das weg. Ich werde nicht begleiten. Weiß der Teufel, ein Papua.«
    »Ein richtiger Komantsche.«
    »Häuptling Falkenauge.«
    Scherwinski senkte gehetzt den Kopf.
    »Na gut, ich geh mich kämmen.«
    »Das denke ich auch. Nikolka, bring ihn in sein Zimmer.«
    Nikolka öffnete die Tür, dann spielte er auf dem Klavier einen Marsch. Scherwinski ging puterrot an ihm vorbei und flüsterte: »Du Halunke.«
    Als er zurückkam, war er kein Komantsche mehr, sondern ein glatt gekämmter Gardeoffizier.
    Die STADT ist schön.
    Die STADT ist glücklich.
    Der Gesang, wie ein Stück amethystfarbener Samt, floß leicht dahin und beruhigte die unruhigen Herzen.
    O STADT …
    Scherwinski konnte es sich nicht verkneifen, er ließ, allmählich anschwellend, sein berühmtes mi hören. Der Amethyst verwandelte sich in einen silbernen bohrenden Strom. Das Wohnzimmer dröhnte vibrierend wie eine Holzschachtel von den unzähligen Echos der Wände und Scheiben. Nikolka im Sessel zog vor Schreck und Genuß den Kopf in die Schultern.
    »Ist das eine Stimme«, flüsterte er.
    Und erst als der glattgekämmte Komantsche den Schall dämpfte, über die Klavierbegleitung triumphierte und in Mezzo-Voce sang:
    Der Mond erstraaahlt …
    hörten Nikolka und Jelena das teuflisch drohende Klappern der Kessel. Der Akkord brach ab, aber durch das Pedal klang das do fort, dann verstummte auch die Stimme. Nikolka sprang auf.
    »Ich laß mich köpfen, wenn das nicht Wassilissa ist! Der verdammte Kerl.«
    »Mein Gott …«
    »Ruhig, ruhig, Jelena Wassiljewna.«
    »Ich laß mich köpfen. Daß die Erde solch einen Feigling trägt.«
    Draußen tobte dumpf der Hexensabbat. Nikolka steckte hastig Myschlajewskis Pistole in die Tasche.
    »Nikolka, leg die Waffe weg, ich bitte dich.«
    Die Eßzimmertür klappte, dann die Verandatür zum Hof. Das Getöse drang für einen Moment ins Zimmer. Auf dem Hof, im Nachbarhof und weiter, die ganze Straße entlang, wurden Marmeladenkessel geschlagen. Das entsetzliche Klappern erschütterte die Frostluft.
    »Nikolka, geh nicht raus aus dem Hof. Leonid, lassen Sie ihn nicht.«
    Nikolka hatte richtig geraten. Wassilissa war der Urheber des Alarms. Nikolka, der als Sekretär des Hauskomitees die Listen der Hauswache führte, hatte sich nicht das Vergnügen versagt, in der wirren Nacht zum Dritten Wassilissa mit der schwammigen Schustersfrau Awdotja Semjonowna zur Wache einzuteilen. Darum stand in der Spalte:
    Von 20 bis 22 Uhr Awdotja und Wassilissa.
    Es gab überhaupt viel Vergnügen. Nikolka hatte Wassilissa einen ganzen Abend lang im Gebrauch des österreichischen Karabiners unterwiesen. Wassilissa saß auf der Bank an der Wand, zusammengesunken und mit trüben Augen, und Nikolka riß mit dem Auswerfer klackernd Patronen heraus, bemüht, Wassilissa zu treffen. Nachdem er seinen Spaß gehabt hatte, hängte er den Marmeladenkessel zum Alarmschlagen an einen Akazienzweig. Der reglose Wassilissa und die mürrische Awdotja saßen verlegen auf der Bank.
    »Passen Sie gut auf, Wassili Iwanowitsch«, sagte Nikolka besorgt. »Wenn etwas ist … gut zielen.« Er zwinkerte drohend zu dem Karabiner.
    Awdotja spuckte aus.
    »Krepieren soll dieser Petljura, soviel Unruhe bringt er den Menschen.«
    Wassilissa kam in Bewegung, nachdem Nikolka sich entfernt hatte. Vorsichtig ergriff er den Karabiner bei der Mündung und beim Kolben, legte ihn unter die Bank mit der Mündung zur Seite und saß wieder still. Verzweiflung packte ihn am Ende seiner Wache um 22 Uhr, als in der STADT die Geräusche des Lebens verstummten und Awdotja strikt erklärte, sie müsse sich für fünf Minuten entfernen. Die Wedenezki-Arie des Gastes klang dumpf, dumpf durch die cremefarbenen Stores und erleichterte ein wenig das Herz des unglücklichen Wassilissa. Aber nur für einen Moment. Auf der Anhöhe über dem Schuppendach, auf der in Stufen der verwilderte verschneite Garten lag, huschte deutlich ein Schatten, und eine Schneeschicht kam raschelnd herunter. Wassilissa schloß die Augen und sah

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