Die weiße Hexe
nicht trauen.
Die versuchen ständig, Informationen aus einem rauszuholen.“
Bernd trank einen Schluck Whisky und dozierte: „So überlebt man hier: Stell Fragen, hör zu, beantworte nichts. Lügen ist eine Form der Konversation. Lügen ist okay, es schützt Informationen. So sieht der Afrikaner das.“
Klaus Nickel hatte mich wieder entdeckt; pro forma schleppte er mich von einem Gast zum anderen. Namen, Gesichter, ein vorbeilaufender Film. Dann standen wir in seinem Arbeitszimmer.
Ich hielt noch immer den Aktenkoffer in der Hand, meine erprobte Verteidigungswaffe.
„Sie haben Post aus Deutschland mitgebracht?“ Er wies mir einen Stuhl vor seinem Schreibtisch zu, nahm seinerseits, in dem nach wie vor unordentlichen Zustand, in dem er sich schon anfangs befunden hatte, Platz. Ich suchte die Umschläge - an die dreißig Stück im DIN-A4-Format - heraus, gab sie ihm. Er fand schnell, was er suchte. Es waren die beiden dicksten Umschläge. Er drehte sich nicht einmal weg, sondern riß die beiden Umschläge ungeniert vor meinen Augen auf und legte den Inhalt auf den Schreibtisch. Wenn man mich damit gefilzt hätte! Vor meinen Augen lagen mindestens 200 000 Dollar. Ich brachte keinen Ton raus.
Nickel bemerkte mein Erstaunen und ließ die Scheine sofort in seinem Schreibtisch verschwinden. „Money makes the world go
round“, sagte er mit dem Lächeln des ertappten Schuljungen. Wenn man einem Controller Schmiergelder ins Flugzeug mitgibt, was kann man da vom Rest der Firma erwarten? Ich brauchte ein paar Wochen, um herauszubekommen, daß das Geld der Strengfurt AG
keinesfalls wie vorgesehen nur in die Taschen von irgendwelchen Burschen vom Typ Master Tomorrow floß. Nein, die gute Mark kam von Weißen und blieb oft in weißer Hand. Zum Beispiel in Nickels.
Er leitete nur einen kleinen Teil weiter, um die Geschäfte seiner Arbeitgeber am Laufen zu halten. Und ich lernte, daß das niemanden interessierte.
Als ich Nickels Bungalow verließ, hörte ich wieder ein lautes „Iah“.
Schnell stöckelte ich auf den wartenden Wagen zu. Femi stieg aus und riß mir die Tür auf. Da kam der blöde Sex-Esel auch schon angetrabt ...
Femi fuhr mich ein kurzes Stück weiter zu dem mir zugedachten Haus, das vielleicht halb so groß war wie das von Nickel. Statt einer hohen weißen, mit Scherben versehenen Mauer hatte man um mein künftiges Domizil einen scheußlichen, einen Meter fünfzig hohen Stacheldrahtzaun gezogen, hinter dem sich ein prächtig blühender Garten erstreckte.
Ken, mein „Hausboy“, empfing mich in blütenweißem Hemd und schwarzer Hose, neben sich zwei kleine Männer mit dicken Stammesnarben im Gesicht, gekleidet in graue, weite tunikagleiche Gewänder und ausgestattet mit Pfeil und Bogen. Diese beiden waren meine night watches, die bei Nacht mein Haus behüten sollten. Sie sprachen kaum Pidgin-Englisch, sondern nur einen der vielen Dialekte der Nordnigerianer. Ken stammte aus dem Osten, dem ehemaligen Biafra. Nicht mal er hätte sich mit den beiden unterhalten können. Die day watches, die ich am nächsten Morgen kennenlernen sollte, sprachen wenigstens Pidgin, jenes Englisch, für das es ein eigenes Lexikon gibt.
Ken übernahm es, mir mein Haus zu zeigen. Ein Haus, dessen Fenster alle vergittert waren, und die Türen konnte Ken erst aufsperren, nachdem er die Gitter davor aufgeschlossen hatte.
Wenigstens sorgte die Klimaanlage für angenehme Kühle. Der in den riesigen Räumen verlegte graue Marmorboden verlieh dem spärlich und zweckmäßig möblierten Haus allerdings den Charme eines Kühlfachs.
Das zweistöckige Gebäude bestand aus zwei voneinander getrennten, mit einer Außentreppe verbundenen Bereichen. Im Erdgeschoß, neben der zwei Autos Platz bietenden Garage, befand sich ein überdimensionierter „Salon“, den ich nur benutzte, wenn Gäste kamen. Im Obergeschoß, einen living-room einrahmend, gab es vier Schlafzimmer mit Doppelbetten, drei Bäder und eine Küche, die mit drei großen Gefriertruhen und zwei deckenhohen Kühlschränken protzte. Zu den Stirnseiten auf Hausbreite lag je eine Terrasse, voll verglast.
Ken schärfte mir ein, mich immer gut einzusperren. Wozu dann die Wächter, Tag und Nacht? Wozu an allen Türen zusätzliche Scherengitter? Dieses riesige Luxushaus bewohnte ich nur mit meinen beiden Katzen. Mein Vater hatte mir noch abgeraten, die Tiere mitzunehmen. Jetzt war ich froh, daß wenigstens diese beiden meinen einsamen Luxus mit mir teilten. Ich ließ Sternchen,
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