Die weiße Hexe
Frau des Masters. Zu spät. Der weiße Master war tot.“
„Waren Sie sein Fahrer?“ fragte ich Femi.
„Yes, Madam.“
Ich hielt es nie lange in meinem großen, leeren Haus aus, deshalb die vielen Ausflüge mit Femi. Um so weniger verstand ich eine Frau wie Gerda Nickel, die ihr Haus selten verließ, obwohl sie darin nichts zu tun hatte. Jeder Handgriff wurde ihr abgenommen. Gerda schien sich auch für nichts zu interessieren. Sie lebte eigentlich von einer Party zur nächsten. Nicht mal in den Garten ging sie, denn der sexbesessene Esel stellte auch ihr nach. Es wäre für Nickel ein leichtes gewesen, das Vieh zum Teufel zu jagen. Da er es nicht tat, lag der Verdacht nahe, daß er den Esel geradezu abgerichtet hatte. Damit traf er nicht nur Besucherinnen wie mich, sondern vor allem seine Frau.
Die Isolation in ihrem Haus bekam Gerda Nickels geistiger Gesundheit schlecht. Sie trank Unmengen Alkohol. Im Suff ließ sie sich von ihrem Fahrer in die Supermärkte kutschieren. Mal kaufte sie den gesamten Bestand eines Ladens an Zahnbürsten auf, ein anderes Mal ließ sie vom Markt hundert Hühner ankarren. Die mußten die boys schlachten und rupfen, und der Steward durfte die Hühner einfrieren. Die Kühltruhen boten ja reichlich Platz. Leider fiel kurz danach der Strom aus. Alle Hühner tauten auf, vor den Gefriertruhen bildeten sich riesige, stinkende rote Lachen auf dem weißen Boden. Am Morgen kam Gerda in ihre Küche, sah die entsetzliche Bescherung und begann zu schreien. Niemand konnte sie davon überzeugen, daß in den Tiefkühltruhen kein Toter lag.
Spätestens jetzt hätte Klaus Nickel seiner Frau helfen müssen. Tat er aber nicht. Also nahm das Unglück seinen Fortgang.
Gerda, die selbst keinen Nachwuchs hatte, haßte Kinder. Vor allem die sieben oder acht ihres Stewards. Ständig ermahnte sie ihn, daß er seine Kinder nicht ins Haus seines Chefs lassen dürfe. Der Steward hielt sich auch meistens daran. Aber seine Jüngste, eine knapp Zweijährige mit Puppengesicht, verstand die Anweisungen ihres Vaters natürlich nicht. Der Steward hatte gerade abgewaschen, als seine Kleinste in der Küche spielte. Er mußte kurz aus der Küche, um Müll nach draußen zu bringen. Als er zurückkam, fand er seine Madam am Spülbecken. Mit wutverzerrtem Gesicht drückte sie gerade die Kleine ins Abspülwasser. Zur Strafe, weil sie doch ins Haus gekommen war. Mit einem Fausthieb trennte der entsetzte Vater seine Chefin von dem gepeinigten Kind.
Wäre der Steward nur eine Minute später gekommen, sein kleines Mädchen wäre tot gewesen. So blieb das hübsche Kind für den Rest seines Lebens behindert. Ein Pflegefall. Klaus Nickel setzte seine Frau ins Flugzeug nach Deutschland. In der Community wurde erzählt, daß sie nie wieder aus der Nervenheilanstalt herausgekommen sei. Nickel gab dem Steward eine Menge Geld, damit er seinen Mund hielt und mitsamt seinem behinderten Kind für immer verschwand. Nickel selbst war danach ein freier Mann. Er hatte jede Menge Freundinnen. Plötzlich war auch der sexbesessene Esel weg. Der vierbeinige jedenfalls.
Nickel hatte begonnen, ein Netz aus Geschäftsverbindungen zu Nigerianern zu knüpfen. Das Gesetz schrieb eine 51prozentige Beteiligung von Nigerianern an einer neuen Firma vor. Eine hervorragende Konstruktion, um Geld umzuleiten. Nickels wichtigster Erfüllungsgehilfe war sein Chefbuchhalter Lion Okoro.
Und ich, die Controllerin, war die natürliche Gegnerin dieser Verbindungen. Mein Job war es schließlich, Kosten einzusparen.
Anfangs hatte Okoro, der in Deutschland Betriebswirtschaft studiert und deshalb auf meinen Posten spekuliert hatte, brav alle Unterlagen zu mir gebracht. An so manchem einsamen Wochenende tobte ich meinen detektivischen Spürsinn an Okoros Akten aus. Es fehlten stattliche Beträge, die auf irgendwelche Konten umgeleitet worden waren.
Irgendwann verplapperte sich einer der Buchhalter, sagte, daß Okoro ein Haus baue. Na, welch ein Zufall! Da baut der Chefbuchhalter ein Haus, während die Firma eine Produktionsstätte hochzieht. Im Neudeutsch der Banken sind so was natürlich nur Peanuts, die einen Milliardenkonzern nicht arm machen. Doch wozu war ich in Lagos? Ein Gespräch mit Nickel blieb ohne Ergebnis. Das hatte ich allerdings nicht anders erwarten können. Daß Nickel zu Okoro hielt, machte Sinn: So hatte er den Buchhalter in der Hand, '
der Nickels eigene, wesentlich lukrativere Geschäfte deckte. Ein einziger Sumpf. Als ich Okoro eine Reihe von
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