Die weiße Hexe
meine schwarze, verschmuste Perserdame mit den gelben Augen, und Frosty, die bildschöne Siamkatze mit dem unvergleichlichen Silberblick, aus ihren Plastikboxen.
Ein schüchternes „Sorry, Madam“ erklang. An der Gittertür von der Küche zum living-room stand scheu und schief Ron, der Steward.
Ken hatte wohl vergessen, ihn mir vorzustellen. Ich ging auf ihn zu, doch er wich einen Schritt zurück. Ängstlich sah er mich an. Ich hielt meine reisekranke Frosty im Arm. Tat ich einen Schritt auf Ron zu, machte der einen rückwärts in die Küche. Als meine gelb-äugige Sternchen ebenfalls Bekanntschaft mit Ron machen wollte, war es aus: Er huschte hinter das sichere Türgitter und starrte von der anderen Seite zu uns rein. Irgendwie glich der Moment einer Begegnung im Zoo. Nur - wer war drin, wer war draußen?
„Haben Sie Angst vor Katzen?“ fragte ich überflüssigerweise.
„Ob Ron Angst hat?“ Bernd Waltersdorf bog sich am nächsten Tag vor Lachen. „Wenn du ihm eine Eule vor die Nase gehalten hättest, wäre seine Reaktion die gleiche gewesen! Katzen gehören wie Eulen und Fledermäuse zu Hexen. Er erzählt bestimmt allen, daß du eine Hexe bist!“ Ich hielt das damals für einen Witz. Wenn ich geahnt hätte ...
Mein Haus lag in der Government ResidentialArea, einem Ghetto für die Weißen, in dem die Häuser in Gruppen zusammenstanden.
Hinter jedem Haus befanden sich die boy's quarters - abgetrennt durch eine wohl zwei Meter hohe Mauer. Auf der rückwärtigen Seite meines Hauses wohnten dort in einem schäbigen, länglichen Flachbau mit vier Türen Steward Ron mit seinen zwei Frauen und drei seiner vielen Kinder, Hausboy Ken (mit ständig wechselnden Freundinnen), Hausmädchen Simi und die vier Wächter, die ohne Anhang in Lagos lebten, was angesichts der Platzverhältnisse auch nicht anders möglich gewesen wäre. Diesen 13 Menschen stand nicht mal halb soviel Platz zur Verfügung wie mir mit meinen zwei Katzen, drei Bädern und drei Tiefkühltruhen ...
Das Büro der Strengfurt AG lag direkt neben dem Haus von Chef Nickel und seinem Esel, den man immer wieder „Iah“ stöhnen hören konnte. Zum Mittagessen besuchten wir uns reihum in unseren Häusern. Meistens fuhren wir (jedoch immer ohne Nickel) allerdings zu mir, denn Ron konnte wirklich gut kochen. Sehr europäisch, sogar viele deutsche Gerichte. „Das hat er von der Frau Ihres Vorgängers gelernt“, erklärte Bernd.
„Sie haben mir noch nichts von diesem Hartmann erzählt, Bernd.
Warum ist er Hals über Kopf abgehauen?“
„Hartmann war ein junger Kerl, vielleicht achtundzwanzig. Er war mit seiner Frau Iris nach Lagos gekommen, einer sehr jungen Blonden. Bildschön. Es war für beide der erste Auslandsjob. Sie hatten keine Kinder. Hartmann hängte sich voll in seine Arbeit, seine Iris saß zu Hause und langweilte sich. Dinnerparties und Kaffeekränzchen sind nichts für eine Frau von schätzungsweise vierundzwanzig, oder? Gleich da drüben wohnte damals ein englisches Ehepaar, die Shiltons. Iris hatte sich mit der fast gleichaltrigen Frau Shilton angefreundet. Zu zweit waren sie nicht mehr so einsam, wenn die Männer arbeiten gingen.
Die Shiltons waren schon zwei Jahre in Nigeria und hatten sich viele Feinde gemacht. Denn beide konnten Schwarze nicht so recht leiden. Frau Shiltons spezieller Feind war ihr Hausboy. Sie hatte ihn mehrmals beim Klauen erwischt und ihn deshalb ziemlich ausgeschimpft. Dabei war sie sehr ungeschickt vorgegangen: Sie hatte das in Gegenwart seiner Frau und seiner Kinder, vorm boy's
quarter, getan. Zwei Nächte später, die Shiltons hatten sich schon schlafen gelegt, fuhren mehrere Pick-ups vor dem Haus vor. Die Nachtwächter hatten nichts Eiligeres zu tun, als sich unter den geparkten Autos zu verkriechen. Der Hausboy muß dann wohl die Gittertüren aufgesperrt haben, und die Eindringlinge stürmten ins Schlafzimmer der Shiltons. Shilton selbst wurde ans Bett gefesselt und verprügelt, seine Frau vor seinen Augen stundenlang vergewaltigt. Dann
räumten die Kerle das Haus aus und verschwanden. Frau Shilton wurde am nächsten Tag völlig durchgedreht nach England ausgeflogen. Ihr Mann versuchte, die Polizei davon zu überzeugen, daß nur der Hausboy hinter allem stecken konnte. Doch die Polizei tat nichts. Shilton reiste Hals über Kopf ab. Iris hörte natürlich von der Sache und wollte keinen Tag länger in diesem Land bleiben.
Hartmann ging selbstverständlich mit.“
Ich wollte wieder zum Markt, dem
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