Die weiße Hexe
Hexe. Dabei war ich nur eine ordentliche Controllerin. Für Nickel schien das dasselbe zu sein.
Auch mein altes Problem meldete sich wieder - die Autos von John und meinem Vater. Doch diesmal sollte John mich nicht übers Ohr hauen, obwohl ich bei der ganzen Aktion nicht in Erscheinung treten wollte. Gemeinsam mit Femi war ich einige Male an Marys Autowerkstatt vorbeigefahren. Schließlich schickte ich Femi allein vor, um herauszufinden, wie viele Autos inzwischen verkauft waren.
Praktisch alle! Ich rief Vater in Deutschland an und sagte ihm, welche Anweisungen er John zu geben habe.
Ein paar Tage später saß ich in der Wohnung eines Freundes. Mein Herz raste. Nebenan hörte ich Johns Stimme. Er lieferte brav die erste Rate für den Autodeal ab. Als er gegangen war, zählte ich die bunten Naira-Scheine, die er dagelassen hatte. Ich gab sie fast alle Mike, einem Amerikaner, der nach langen Nigeria-Jahren seine Jacht an den Strengfurt-Produktionsleiter Jürgen Weiß verkaufen wollte. Damit hatte Mike den Kaufpreis für seine Jacht. Als Heimkehrer war es ihm gestattet, die Nairas legal in Dollar zu wechseln und in seine Heimat zu überweisen. Jürgen Weiß wiederum mußte nun den
Gegenwert in D-Mark von seiner deutschen Bank auf Vaters Schuldenkonten überweisen.
Die Sache funktionierte! Der zweite Autohandel deckte tatsächlich auch noch einen Teil der Schulden aus dem ersten Autogeschäft.
Trotzdem blieben mir noch 50 000 Mark Miese. Aber immerhin
-Vater war sehr zufrieden mit mir. Ich übrigens auch. Trotzdem hatte John bei der Sache offensichtlich den besseren Schnitt gemacht: Er hatte sich ein Grundstück gekauft und mit dem Bau eines großen Hauses begonnen. Auf dem Weg vom Büro nach Hause fuhr Femi jeden Tag daran vorbei und informierte mich über die Baufortschritte. Es sah ganz danach aus, als ob John beim Hausbau wesentlich engagierter war als beim Autohandel. Erst als Vater eine dritte Autofuhre nach Lagos in Aussicht stellte, erzählte ich ihm von Johns Haus. Endlich sah Vater ein, daß bei Geschäften mit John nur einer gewinnen konnte - John.
YEMI UND DIE TRADITION DER BESCHNEIDUNG
Meine beiden Katzen empfanden das Leben in unserem kühlen, fast keimfrei sauberen Haus als etwas zu fade. Vor allem Sternchen, meine langhaarige Perserdame, vertrieb sich die Zeit mit der Jagd.
In Ermangelung von Mäusen pirschte sie sich an die bunten Eidechsen heran, die sich stundenlang an den Mauern sonnten.
Niemand hatte mich gewarnt, den Katzen das zu verbieten.
Natürlich. Denn Ron und Ken haßten meine beiden Stubentiger.
An einem Samstag abend übergab Sternchen sich pausenlos.
Krämpfe beutelten das schöne Tier. Ergebnislos durchwühlte ich meine riesige Hausapotheke. Von Ron und Ken war keine Hilfe zu erwarten. Also schickte ich nach Femi, der eigentlich dienstfrei hatte. Die ganze Nacht verging. Erst am Sonntag mittag kam er und in seiner Begleitung ein europäisch-elegant gekleideter Schwarzer.
Femi hatte dem Tierarzt, den er mit Mühe ausfindig gemacht hatte, bereits gesagt, daß ich aus Deutschland kam. So begrüßte Abiola mich auf deutsch. Sternchen - dem Katzenhimmel nahe -
verabreichte er mehrere Spritzen und gab mir Medikamente, mit denen ich die Mieze in den nächsten Tagen wieder gesundpäppelte.
Die Perserdame jagte fortan nie wieder Eidechsen.
Es tut mir wirklich leid, daß meine süße Sternchen so leiden mußte, damit ich Abiola kennenlernen konnte. Schon einige Tage später lud er mich zu sich und seiner Frau Yemi nach Hause ein. Die beiden führten eine für nigerianische Verhältnisse ungewöhnliche Ehe der Gleichberechtigung. Gemeinsam waren sie vor 15 Jahren nach Berlin gegangen. Die älteste Tochter war bei der Großmutter geblieben, im Heimatdorf im Busch des Yoruba-Landes. Abiola hatte
in Berlin Tiermedizin studiert, Yemi sich zur Krankenschwester und Hebamme ausbilden lassen. Erst ein Jahr zuvor waren sie gemeinsam mit den Kindern nach Nigeria zurückgekehrt, nach der Geburt von Yemis viertem Mädchen. Abiola baute seine neue Praxis vor allem mit den Geldern der Weißen auf, die ihre Haustiere vertrauensvoll von einem Arzt behandeln ließen, der ihre Sprache beherrschte.
Abiola und Yemi steckten voller großer Pläne. Yemi verwirklichte gerade ihren Lebenstraum - den Aufbau eines Geburtshauses. Sie sammelte dafür Geld von wohlhabenden Menschen und bildete Nigerianerinnen aus, die sie einstellen wollte. Sie war ständig in Bewegung, redete, lachte. Nach der Arbeit ließ
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