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Die weiße Hexe

Titel: Die weiße Hexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Maria Hilliges
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das Auto bewegte sich nicht. Hassan wiederholte die Schalterei, es kratzte noch lauter; schließlich rumpelte der Wagen weiter. Während wir uns stehend am Dach festhielten, fuhr Hassan langsam näher an die Löwin heran. Ein Schwarm Vögel stieg auf. Die Elefanten liefen ein paar Schritte weiter, verharrten. Die Löwendame, inzwischen etwa 200 Meter links von uns, rührte sich nicht. Schlafend lag sie in der Gabelung eines Baumes.
    „Wir müßten kurz vor Sonnenuntergang hier sein“, sagte Victor,
    „dann wäre die Lady vielleicht etwas munterer.“ Ich sah Victor an.
    Hatte er denn nicht mitbekommen, daß mit dem Rover etwas nicht stimmte? Victor genoß die Natur - während meine Sorge mehr unserem Rückweg galt. Ich nahm mein Fernglas und suchte die Savanne ab, aber nicht nach Tieren, sondern nach anderen Autos.
    Doch da waren keine. Hassans Safari-Ehrgeiz hatte uns weitab von der befestigten Straße in den Park hineingeführt.
    „Hassan, meinen Sie, wir finden ein paar Giraffen?“ fragte Victor in bester Safari-Laune.
    Ein lautes Krachen aus dem Motorraum - der Motor jaulte gepeinigt auf, das altersschwache Gefährt bewegte sich keinen Meter weiter.
    „Das wird wohl das Getriebe sein“, meinte Victor gelassen.
    Verlassen Sie den Wagen nicht, hatte das Schild am Parkeingang gewarnt. Hassan stieg aus dem Landrover, öffnete in aller Ruhe die Motorhaube und blickte hinein. Ich sah Victor an. Ein ironisches Lächeln spielte um seinen Mund.
    „Ilona, das ist Afrika. Es passiert, was eigentlich nicht passieren sollte. Ist das nicht interessant?“
    Ich hätte wohl auch ein paar Jahre Oxford absolvieren müssen, um das Leben so gelassen beurteilen zu können! Doch leider gab es nicht nur eine Löwendame und einige Elefanten in unserer Nähe, sondern viele in ihrer Blutgier nicht zu unterschätzende Mücken, die sich über unsere Haut hermachten. Victor schloß das Dach, und wir klatschten Mücken.
    Der sandfarbene Landrover war in der grünbraunen Savanne mit Sicherheit schlecht auszumachen. „Wir sollten vielleicht hupen“, schlug Victor vor. Hassans Blick in den Motorraum hatte lediglich eine simple Erkenntnis gebracht: „Engine broken.“ Motor kaputt.
    Während wir schwitzend im Wagen warteten und hupten, war Hassan auf das Dach seines Gefährts geklettert. Wir hörten ihn durch das Blech hindurch unablässig vor sich hin sprechen. Ob er Allah oder die Geister der Vorfahren um Beistand anflehte, verriet er uns nicht. Wir begannen uns jedoch bald Sorgen um den guten Mann zu machen. Denn erst verschwand die Löwendame und war in dem schulterhohen Gras nicht mehr auszumachen. „Hassan, kommen Sie rein“, rief Victor, um zu verhindern, daß Hassan vor unseren Augen zum Appetithappen einer Löwendame wurde. Vom Gras bis zum Auto war es allenfalls ein Meter. Ein Sprung aufs Autodach, und um Hassan wäre es geschehen gewesen.
    Also kam Hassan in den Wagen zurück und übernahm schweigend den Hup-Job. Ein mächtiger Elefantenbulle trottete mit er-hobenem Rüssel geradewegs auf uns zu. Ob er die Hupe abstellen wollte? „Ich glaube, Hassan sollte mit der Huperei aufhören“, sagte ich mit zitternder Stimme.
    „Stop honking“, sagte Victor knapp. Hassan gehorchte, doch der Elefant kam trotzdem näher. Mit dem Rüssel fingerte er an den Scheiben entlang. „Ich glaube, er will was zu essen“, mutmaßte Victor. „Wenn wir ihm nichts geben, wird er gehen.“
    Der gefrustete Dickhäuter verzog sich tatsächlich. Allgemeines Aufatmen. Unsere Situation war trotzdem unverändert. Wir schwitzten in einer Rover-Sauna und erzählten uns gegenseitig von unserem Leben. Es war das erste Mal, daß ich einem Menschen die leidvolle Autogeschichte erzählte.
    „Dann war es aber mutig von dir, mit mir auf diese Safari zu gehen“, meinte Victor.
    „Ich dachte, ich hätte genug Abenteuer mit Autos erlebt.“
    „Du hast recht“, sagte Victor, „unser nächster Ausflug wird mit dem Boot sein.“ Er lachte mich schelmisch an und legte den Arm um mich. Ich bettete meinen schweißnassen Kopf an seine Schulter.
    „Glaubst du eigentlich an das Schicksal? An so was wie Vorbestimmung?“ fragte er und blickte träumerisch in die wunderschöne Landschaft. Es war ein Moment, als wären wir beide aus der Zeit gefallen, als hätte die Erde aufgehört, sich zu drehen.
    Die Autopanne hatte uns aus allen Planungen herausgeworfen.
    Niemand konnte uns hier erreichen. Eigentlich ein beängstigender Gedanke angesichts unserer Lage, aber

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