Die weiße Hexe
nur Aas“, antwortete er in die Dunkelheit hinein.
„Und wir sind doch sehr lebendig, oder?“
Sollten draußen doch afrikanische Urgewalten toben. Ich schmiegte meinen Kopf auf die Brust meines Prinzen und lauschte dem Pochen seines Herzens. Es klang sehr beruhigend.
DER GEIST MIT DEN RÜCKWÄRTSGERICHTETEN FÜSSEN
Seit Yemis Tod waren einige Wochen vergangen. Ich hatte nicht mehr geglaubt, daß Abiola sich wieder bei mir melden würde. Doch plötzlich stand er vor meiner Tür. Ich freute mich unglaublich, ihn zu sehen, und empfand gleichzeitig Scheu, diese Freude zum Ausdruck zu bringen. Ich wollte ihm viel erzählen, und vor allem hatte ich Arbeit für ihn. Denn ich hatte meinem Vater leichtsinnigerweise von Nickel und dessen Machenschaften erzählt.
„Du brauchst einen Hund, der dich beschützt“, hatte Papa gesagt.
Und wie ich zu einem Hund kommen würde, wußte er auch schon.
Meine Schwester Monika wartete nach dem Abitur auf einen Studienplatz und hatte Zeit. Sie wollte mich besuchen kommen und bei der Gelegenheit einen Wachhund für mich mitbringen. Ich bat Papa, mir einen Airdale-Terrier zu besorgen, so einen großen Teddy-Hund. Statt eines Hundes kamen zwei. Was mein Vater tat, das tat er gründlich. Der Anfang war vielversprechend: Keiner der Flughafenarbeiter traute sich an die Hundekäfige. Denn statt eines Airdales brachte Monika zwei Doggen mit! „Das sind richtige Wachhunde. Die passen wirklich auf dich auf“, sagte Vater am Telefon.
Die eine Dogge war schwarzweiß gefleckt, die andere braunschwarz geströmt. Sie waren vier Monate alt und hatten schon enorme Ausmaße - sie paßten gerade noch in die Transportboxen. Abiola hatte die notwendigen Einfuhrpapiere mitgebracht. Gemeinsam hievten wir die Boxen auf einen Kleinlaster, den ich mir ausgeborgt hatte. Es dämmerte schon, als wir endlich vom Flughafen wegkamen. Die erste Polizeikontrolle ließ nicht lange auf sich warten. Monika blickte mich entsetzt an, als zwei Polizisten auf unseren Pritschenwagen zukamen - mit Gewehren.
„Oje“, stöhnte ich, „jetzt geht das wieder los! Die wollen immer Geld. Die reinste Wegelagerei, sage ich dir. Es dauert zehn Minuten, und unter fünfzig Naira Bestechungsgeld geht es bestimmt nicht ab.“
Der Polizist trat arrogant ans Fenster: „God dey, ma'am. Sie sind zu schnell gefahren.“
„Das kann nicht sein, Sir, ich bin ...“
Weiter kam ich nicht. In diesem Moment ertönte von hinten ein beherztes, tiefes: Wau! Und als Antwort darauf, etwas tiefer, noch beherzter: Wau! Wau!
Der Polizist sprang zurück, riß seine Waffe hoch, starrte auf die Ladefläche, sah die beiden Doggen, die in ihren Boxen standen und ihrerseits den Polizisten anglotzten. Sein Kollege rührte sich überhaupt nicht mehr. „Okay, ma'am, ist okay. Gute Fahrt.“
„Ich weiß gar nicht, was du willst, Ilona. Die waren doch ganz nett“, kommentierte Monika.
„Haben die Doggen eigentlich schon Namen“, fragte ich.
„Die geströmte heißt Baatzi, die gefleckte Dolly.“
„Dolly - wie Püppchen?“ Abiola lächelte. „Das ist ein passender Name ...“
„Ich glaube, Vater hatte recht, Monika. Doggen sind eine gute Idee für Nigeria“, meinte ich.
Das waren sie tatsächlich. Bei einer Polizeikontrolle reichte es von nun an, wenn ich das Fenster runterkurbelte und freundlich nach des Beamten Begehr fragte. Dann schob Dolly neugierig ihr nettes Hundegesicht an mir vorbei. Ein bemerkenswertes Gesicht: die eine Seite schwarz, die andere weiß. In der schwarzen Seite ein blaues Auge, in der weißen ein braunes. Ihre lange Zunge hing ihr aus dem Hals, die roten Lefzen tropften.
„Ist okay, Ma'am. Gute Fahrt.“
„Nette Polizisten“, sagte Monika.
„Finde ich auch“, stimmte ich zu.
Ich schob Dollys Kopf zurück, kurbelte das Fenster wieder hoch, Victor –
seine große Leidenschaft waren Polopferde.
Schönheit und Kraft: Ifeoma begleitete mich während meines Initationsritus.
fuhr los. Die Polizisten starrten uns entgeistert nach. Dolly schüttelte sich. Der Sabber flog gegen die Fenster. Es hat eben alles seinen Preis.
Apropos Preis - auch das Hundefutter in Afrika war teuer. Doggen stehen nun mal auf riesige Portionen Frischfleisch. Ich verfütterte es mit ausgesprochen gemischten Gefühlen an meine teuren Tiere.
Rons und Kens Blicke entgingen mir nicht, wenn sie Baatzi und Dolly saftiges Fleisch hinstellten. Während sie und ihre Familien tagein, tagaus die garri-Pampe aßen. Ich konnte durchaus
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