Die weiße Hexe
verstehen, daß sie sich das Fleisch schnappten und den Doggen
garri gaben, wenn ich nicht aufpaßte.
„Die Doggen müssen jeden Tag Fleisch und Knochen zu fressen kriegen. Ohne das darin enthaltene Kalzium bekommen sie Rachitis. Sie sind noch im Wachstum, Ilona“, warnte Abiola. Fortan achtete ich sorgsam darauf, daß meine vier Vierbeiner tatsächlich das ihnen zugedachte Essen bekamen. Die Katzen Fisch, die Hunde Fleisch.
Die Doggen wuchsen enorm schnell. Niemand traute sich mehr in den Garten, wenn Baatzi und Dolly draußen herumsprangen. Auch Ken nicht, der den Garten zu versorgen hatte. Allerdings gab's bald nicht mehr viel zu versorgen: Baatzi und Dolly gruben alles um. Bei den Deutschen im Viertel sprach sich rasch herum, daß meine Hunde wesentlich wirksamer waren als zum Beispiel der von allen gehaßte Esel Nickels. Bald kamen die ersten Anfragen, ob ich nicht eine der beiden verkaufen wollte. Aber ich hatte meine beiden Riesenbabys schon zu sehr ins Herz geschlossen. Statt dessen leitete ich die Anfragen an meinen Vater weiter. Hunde-Import war wesentlich einfacher als Auto-Import. Und Abiola bekam immer mehr dankbare neue Kunden.
Meine Schwester sollte von Afrika natürlich soviel wie möglich zu sehen bekommen. Andererseits stand Victors Rückkehr nach London unaufschiebbar bevor. Er hatte mir ja noch einen Ausflug versprochen - mit dem Boot. Abiola und Victor, die sich schon durch ihre gemeinsame Liebe zu den Tieren bestens verstanden, steckten die Köpfe zusammen und kamen zu dem Schluß, daß wir eine Kanu-fahrt durch die Lagunen östlich von Lagos machen sollten. Abiola packte Baatzi ins Auto und bat Monika auf den Beifahrersitz; ich folgte mit Victor und Dolly im zweiten Wagen, dem standesgemäßen Jaguar meines Prinzen. Victor fand unsere tierischen Leibwächter
„very sophisticated“. Daß die eigentlich harmlosen Hunde durch ihre pure Gegenwart abschreckend wirkten, entsprach seinem trockenen britischen Humor.
In Ejinrin am Rand des Regenwalds, der sich entlang der Bucht von Benin hinter Mangrovensümpfen und breiten Lagunen Hunderte von Kilometer entlang der Küste erstreckte, fand Abiola zielsicher, was wir suchten - Kanus. Lange ausgehöhlte Baumstämme, die je nach Größe von einem oder mehreren Einheimischen gelenkt wurden.
Abiolas Begleitung (und natürlich die Anwesenheit der Doggen) ersparte uns einen Wächter für die Autos, dessen Anmietung dringend empfohlen worden war. Victors Jaguar hätte in seiner Abwesenheit mit Sicherheit einen neuen Besitzer gefunden ... Wir ließen Abiola, der sich mit den Dialekten wesentlich leichter tat, für uns den Preis eines Tagestrips inklusive zwei Paddlern aushandeln.
Während Abiola noch feilschte, kam ein junger, ziemlich muskulöser Bursche auf uns zu. Das heißt - er kam auf Monika zu, meine hübsche 19jährige Schwester. Der schlaksige Kerl winkte ihr zu, und Monika folgte der Einladung. Der junge Mann verfügte über ein etwa sechs Meter langes Kanu.
„Spezial-Preis für dich und deine Freunde“, sagte er auf Pidgin-Englisch.
„Ilona, komm doch mal!“
Der Bursche verstand sein Handwerk. In seinem Kanu lagen bereits ein paar Kissen, und sein Freund drückte Monika ohne viele Umschweife einen breitkrempigen Strohhut auf den Kopf. Ich mußte nicht lange warten und bekam auch einen. „Schutz gegen die Sonne“, sagte der Junge. Das klang einleuchtend. Als er Victor ebenfalls einen Hut in die Hand drückte, kam Abiola mit seinem Bootsmann zu spät - wir entschieden uns für Eze, wie der sportliche Knabe hieß.
Sein Freund, den er als Chidi vorstellte, war zwar wesentlich weniger redselig, bereitete aber unterdessen das Boot - man nennt
espiroge-lür den Trip vor. Auf den Boden streute er Gras, auf das er Schilfmatten legte. Eze schleppte unsere zwei Kühlboxen mit Essen und Getränken vom Jaguar zum Schiff. Abiola, der Mediziner, hatte uns ermahnt, feste Schuhe zu tragen, da man sich über das Wasser mit Bilharziose infizieren kann. Monika und ich trugen deshalb Sportschuhe, Victor edle italienische Schnürschuhe zum obligatorischen baumwollweißen Leinen-Outfit. Daß die teuren Klamotten nach diesem Trip Schrottwert hatten, ist natürlich nur die kleinkarierte Anmerkung einer peniblen Deutschen. Victor dachte in anderen Dimensionen; solche Dinge waren nebensächlich.
Die Kleidung war in dem schmalen Boot mit dem gerundeten Boden allerdings meine geringste Sorge: Die Bedenken einer Nicht-schwimmerin gelten in solchen
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