Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)
dieses Geld. Die finanziert Ärztekongresse und bestimmt, wer den Festvortrag hält. Professor Sowieso – ein Meinungsbildner in seinem Fach – lobt dort ausgiebig die neueste Generation der Cholesterinsenker. Die Pharmaindustrie hat das Geld, um die »Fortbildung« der Ärzte mit nettem Rahmenprogramm aus Kultur und Gastronomie zu finanzieren. Um den Medizinern »moderne pharmakologische Strategien« beizubringen.
Wir finanzieren ein Karussell des Irrsinns
Wissen Sie übrigens, woher die Pharmaindustrie die immensen Geldsummen zur Finanzierung ihrer Marketingideen hat? Richtig! Von Ihnen und von mir. Verrückt, oder? Wir geben das Geld, damit die Industrie ein Marketingbudget in Milliardenhöhe bekommt, um damit die Ärzteschaft darauf einzuschwören, uns unsinnige Prozeduren und überflüssige Pharmazie anzudrehen, die wir teuer bezahlen müssen, um dieses System der Manipulation zu finanzieren. Ein Karussell des Irrsinns! Viele Unternehmen aus der Branche geben doppelt so viel Geld für Marketing aus wie für die Forschung und Entwicklung. Wirtschaftlich gesehen, ist das ja auch logisch: Marketingerfolg ist relativ gut planbar. Forschungsergebnisse sind das nicht. Unter medizinischen Gesichtspunkten ist das aber eine Sauerei. Die pharmazeutische Entwicklung ist unterdessen zu einer Schnecke geworden. Neue Medikamente sind immer häufiger nur Scheininnovationen. Wirkmoleküle, an denen man ein paar Atome ausgetauscht hat, um neuen Patentschutz zu erhalten. Fortschritt sieht anders aus. Aber ich schweife ab.
5. Noch mehr Überbehandlung
Risiko Zahnmedizin
»Mutti, Mutti: Er hat gebohrt, wo überhaupt nichts war!«
Können Sie sich an diese Fernsehwerbung erinnern? Zugegeben, der Text lautete etwas anders. Es war eine Werbung für Zahncreme. Ein kleiner Junge kommt in der Zahnarztpraxis freudestrahlend aus dem Behandlungszimmer und ruft seiner Mutter entgegen: »Mutti, Mutti! Er hat überhaupt nicht gebohrt!« Weil die Zahncreme so super vor Karies schützt. Und so ist es tatsächlich. Die Verbesserung der Zahnpflege in den letzten Jahrzehnten hat für die Zahnärzte ein massives Problem entstehen lassen: Es gibt nicht mehr genügend Karies, um alle Zahnärzte ausreichend mit medizinisch motivierten Bohraufträgen zu versorgen. Das hat dazu geführt, dass auch dort gebohrt wird, wo überhaupt keine Karies ist.
Wenn mich ein Thema beschäftigt, spreche ich gerne mit Kollegen darüber. Kameraleuten, Journalisten, Cuttern. Die kommen herum, haben es bei ihrer Arbeit häufig mit interessanten Geschichten zu tun und können anregenden Input geben. Außerdem kann ich so testen, ob die Kollegen »auf das Thema anspringen«, wie viel Interesse es hervorruft. Zum Thema Überbehandlung kann mittlerweile fast jeder von eigenen Erlebnissen berichten. Eines der »schönsten« hat mir Heiner erzählt.
Heiner ist Cutter in Mainz. Er erzählt mir, dass er sich, als er nach Mainz zog, natürlich auch einen neuen Zahnarzt suchen musste. Er hatte bis dahin keine Karies gehabt (etwa fünf Prozent der Deutschen haben keine Karies) und sein Zahnarzt zu Hause hatte immer gesagt: »Heiner, du hast tolles Zahnmaterial, das musst du auch gut pflegen.« Und Heiner hatte es gut gepflegt. Dann sei er in diese neue, modern ausgestattete Praxis gekommen, wo verdächtig wenig los war. »Da hätte ich eigentlich schon misstrauisch werden müssen«, erzählt der Cutter, »aber natürlich freut man sich auch, wenn man gleich einen Termin bekommt. Dann saß ich bei dem Zahnarzt auf dem Stuhl. Der schaut in meinen Mund und die Falten auf seiner Stirn werden immer tiefer. Schließlich sagt er: Herr B., das kann ich jetzt gar nicht alles machen. Da müssen Sie sich drei Termine geben lassen.« Heiner sagt, er sei geschockt gewesen. War sein alter Zahnarzt so inkompetent gewesen? Hatte sich innerhalb von einem knappen Jahr der Zahnfraß in seinem Mund so sprunghaft entwickelt? Misstrauen keimte auf. Heiner machte bei dem neuen Zahnarzt keinen weiteren Termin aus. Er besuchte auf der nächsten Heimfahrt seinen alten Zahnarzt. Und der sagte ihm nach eingehender Untersuchung: »Heiner, du hast keine Karies.«
Ich habe ähnliche Gruselgeschichten in den letzten Jahren immer häufiger gehört. Einer meiner Zahnärzte wollte mir schon vor 25 Jahren meine vier Weisheitszähne ziehen. »Die Übrigen haben dann mehr Platz.« Schön! Aber was hab ich sonst davon? Außer einer Lücke, in der eine Trense für das Zaumzeug Platz hat? Doch das sind natürlich
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