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Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

Titel: Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wittig
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der Standesvertreter geantwortet? Etwa: »Das ist eine schlimme Sache. Wir werden eigene Stichproben unternehmen, um dem Anfangsverdacht nachzugehen?« Nein. Natürlich nicht. Er hat es einfach abgebügelt. Er meinte, bei der Diagnose von Karies gäbe es eben einen »Ermessensspielraum«. Was für eine Katastrophe! Ich habe es ja im Kapitel über die strukturellen Probleme unseres Gesundheitsbetriebs schon angedeutet: Die Medizinische Selbstverwaltung ist ein schlimmer Webfehler im System. Eine Sackgasse. Die Zementierung der Missstände. Der Bock kann als Gärtner nicht funktionieren. Er wird immer die Interessen seiner Mitböcke vertreten. Dafür wurde er von jenen ja gewählt. Der Garten wird ausgebeutet. Was denn sonst? Dumm nur, dass Sie und ich – dass wir dieser Garten sind.

Orthopädie, die Zweite
Gruselkabinett der Überbehandlung
    Der Arzt und Kabarettist Dr. med. Eckart von Hirschhausen erzählt seinen Zuschauern in einem seiner Programme einen altbekannten Witz, in dem es um folgenden medizinischen Wettstreit geht:
    »Wir haben ein Fußballfeld. An den vier Eckfahnen warten vier Mediziner: ein guter Orthopäde, ein schlechter Orthopäde, ein Radiologe und ein Chirurg. Auf dem Anspielpunkt liegen 5000 Euro. Das Geld erhält, wer nach dem Startsignal als Erster am Anspielpunkt angelangt ist. Was meinen Sie, wer bekommt das Geld? Es ist der schlechte Orthopäde. Warum? Nun, der Radiologe ist es nicht, weil der sich für 5000 Euro gar nicht in Bewegung setzen würde. Es ist auch nicht der Chirurg. Dem sind die Regeln zu kompliziert. Und einen guten Orthopäden gibt es nicht. Also bekommt der schlechte Orthopäde das Geld.« 41
    Wie kommen der Volksmund und Dr. von Hirschhausen darauf, ausgerechnet die Orthopäden so böse zu verspotten? Und tatsächlich, wenn man sich umhört, ist der Ruf dieser medizinischen Fachdisziplin nicht besonders gut. Warum eigentlich? Haben Sie eigene Erlebnisse mit Orthopäden? Ich kann mich – als »Patient« – nur an eine Begegnung mit einem Orthopäden erinnern und das ist lange her. Mir hat ein Orthopäde vor etwa 40 Jahren »Einlagen« verschrieben. Das war damals groß in Mode. Das waren Sohlen aus gelbem, durchsichtigem Kunststoff, die ich und viele meiner Mitschüler im Schuh tragen sollten. Weil wir angeblich behandlungsbedürftige Fußformen hatten. Ich weiß nicht mehr, ob bei mir Senk-, Platt- oder Spreizfüße diagnostiziert wurden. Oder eine der beliebten Mischformen. Ich habe die unbequemen Dinger ein paar Tage getragen und sie dann heimlich verschwinden lassen. Ich hatte nie Probleme mit meinen Füßen. Und ich gehe viel zu Fuß.
    Noch eine Orthopädenanekdote: Mein Chef, Helmut Riedl, der Redaktionsleiter unseres Wissenschaftsmagazins im SWR-Fernsehen, kam eines Tages mit einer Hightechschiene zu einem Redaktionstreffen. Unterschenkel und Fuß waren von der grauen Plastikstütze umschlossen. Ein Sportunfall. Die Achillessehne war abgerissen. Er erzählt, er sei in der Klinik bei den Orthopäden gewesen. Die hätten sich die Kernspinbilder angeschaut und gesagt, da müsse man operieren. Mein Chef – so schätze ich ihn zumindest ein – ist nicht prinzipiell ein Typ, der Angst vor Operationen hätte. Aber durch seine Arbeit in unserem Magazin und beim Zukunftsmagazin nano auf 3sat ist er immer wieder mit den neuesten Informationen zu medizinischen Themen konfrontiert. So hatte er auch aktuelle Informationen zur Behandlung seiner Verletzung.
    Er erklärte den Orthopäden, die ihn gerade auf den OP-Tisch zerren wollten, dass man das nicht operieren müsse. Der Bänderapparat im Fußgelenk habe große Kapazitäten, sich selbst zu reparieren. Man müsse dem Fuß nur etwas Zeit und eine passende Schiene geben. Dann sagt Helmut zu mir: »Frank, das hättest du sehen müssen. Die sind richtig böse geworden. Der Oberorthopäde hat gesagt: Was hier operiert wird und was nicht, das entscheide immer noch ich.« Doch der selbstherrliche Mediziner musste begreifen, dass er einem Irrtum unterlag. Helmut wurde nicht operiert. Er hat seine Schiene ein paar Wochen getragen und ist seit Jahren vollkommen beschwerdefrei.
»Was hier operiert wird und was nicht, bestimme ich!«
    Welches Selbstverständnis spricht aus dem autoritären Auftritt des Orthopäden? Es ist auf jeden Fall das Selbstverständnis eines Mediziners, der die völlige Deutungshoheit auf seinem Fachgebiet beansprucht. In seinem Kopf könnte sich das etwa so anhören: »Ich habe das schon immer operiert und das

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