Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)

ihrer Agentur »eine PR-Karriere auf dem Gebiet Pharma und Ernährung«. Volltreffer. Aber es kommt noch besser. Ich suche nach dem Beleg für eine direkte Geschäftsverbindung der angeblich unabhängigen Journalistin zum Weltmarktführer der Vitaminhersteller DSM. Und werde fündig. DSM unterhält im Internet ein aufwendig gestaltetes Informationsportal mit dem schönen Namen NUTRI-FACTS (Ernährungsfakten). Dort bekommen Besucher eine Menge Informationen, was Vitamine so alles Positives bewirken. Auf der Begrüßungsseite steht:
    »Herzlich willkommen bei NUTRI-FACTS, dem anspruchsvollen Portal zu essenziellen Mikronährstoffen für Verbraucher, Ernährungsberater, medizinisches Fachpersonal und Medienvertreter. NUTRI-FACTS bietet Ihnen wissenschaftlich fundierte Fakten und neueste Informationen zu Vitaminen, Carotinoiden und anderen Mikronährstoffen.« 37
    Machen Sie sich mal den Spaß und klinken Sie sich dort ein. Die positiven Wirkungen von Vitaminen sind dort gigantisch. Allerdings treten auffällig häufig das Wort »könnte« oder weitere Formen des Konjunktivs auf und der Hinweis, dass diese Zusammenhänge noch nicht eindeutig belegt seien. Aber vor Vitaminmangel muss man sich in Acht nehmen! Nur von negativen Studienergebnissen werden Sie dort nichts lesen. Dabei gibt es abgesehen von der Kopenhagener Metaanalyse viele weitere Studien, die zeigen, dass Vitaminpräparate das Risiko steigern:
für Schlaganfall (Vitamin E)
für Prostatakrebs (Vitamin E)
bei Rauchern für Lungenkrebs (Vitamin A)
für Tod durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Vitamin A) 38
    Von diesen und weiteren Studien bzw. Metastudien mit ähnlich negativen Ergebnissen werden Sie bei NUTRI-FACTS nicht finden. Und jetzt Achtung: Wir sind ja auf der Suche nach einer Verbindung zwischen Lisa Loewenthal und dem Vitaminhersteller DSM, der NUTRI-FACTS betreibt. Mit der Domain-Suchmaschine »Whois« kann man diverse Metadaten zu Websites im Internet abfragen. Wer hat sie erstellt? Wann ging sie online? Wem gehört sie? – und so weiter. Ich frage »Whois NUTRI-FACTS?« Ahnen Sie die Antwort? Lisa Loewenthal hielt zum Zeitpunkt meiner Recherche die Domain NUTRI-FACTS. Die »unabhängige Journalistin«, die in ihrer Pressemitteilung ein so seltsam sinnentstelltes Bild der Stuttgarter Vitamindiskussion gezeichnet hatte, ist aufs Engste verflochten mit dem Marketing der Nummer eins im weltweiten Vitamingeschäft. Das habe ich in meinem Fernsehbeitrag PR-Kampagne für Vitamine glücklicherweise dokumentiert. Denn heute sind die Spuren im Netz verwischt.
Zwei Nachträge zum Kapitel über Vitamine
1. Die ots -Meldung von Lisa Loewenthal war so unverschämt weit vom tatsächlichen Verlauf der Veranstaltung entfernt, dass selbst Nahrungsmittelergänzungsspezi Professor Biesalski sich genötigt sah, sich öffentlich davon zu distanzieren. Auf seiner Website las man einige Tage nach der Pressemitteilung von Frau Loewenthal:
»Einen ›Vitamin-Defizit-Alarm‹ für Deutschland gibt es nicht, bekräftigt eine renommierte Expertenrunde, die das Thema ›Vitaminversorgung in Deutschland‹ auf Einladung der Universität Hohenheim am 5. Juli 2010 öffentlich diskutiert hatte. Damit distanzieren sich die Experten klar von einer Pressemitteilung des sogenannten ›Arbeitskreises Ernährungs- und Vitamin-Information‹, die die Ergebnisse der Diskussion nicht korrekt wiedergebe.«
2. Die Kopenhagener Cochrane-Gruppe hat im März 2012 eine Erweiterung ihrer Metaanalyse zu antioxidativen Vitaminen und Sterblichkeit herausgebracht. Nach der Einbeziehung von zwei Dutzend weiteren Studien, für die im Jahr 2007 noch keine Angaben zu den Todesraten der Studienteilnehmer vorgelegen hatten, hat sich das Ergebnis der Metastudie verändert. Die Wissenschaftler schätzen die Gefahr jetzt kleiner ein als in der ersten Veröffentlichung. Die Tendenz aber bleibt. Im Zweifelsfall erhöhen diese Supplemente das Risiko zu versterben. Nur Vitamin C scheint harmlos zu sein.

4. Verschnaufpause
»Was hat dich eigentlich so böse gemacht?«
    Ich hatte meinen früheren Klassenkameraden seit mindestens 15 Jahren nicht mehr gesehen. Und dann saß er mir im Zug plötzlich gegenüber. Michael hatte nach dem Abi Zahnmedizin studiert, eine Praxis aufgemacht und im Internet eine entsprechende Informationsplattform online gebracht. Das war damals noch nicht erlaubt, wurde als illegale Werbung betrachtet und bescherte meinem Klassenkameraden einen kräftezehrenden Gerichtsprozess. Im Internet hat