Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)
Patientenbeauftragte Dr. Uwe Nikusch nicht feststellen können. Und dabei denke ich mir: Selbst als Laie müsste man das doch objektiv sehen können. Auch die Zahl der Löcher in Holgers Gebiss hat sich innerhalb kurzer Zeit noch einmal drastisch erhöht: »13 Zähne von Ihnen sind nicht optimal. Neun davon sollte man dringend bohren«, erklärt der im Beitrag unkenntlich gemachte Arzt. Kosten: 800 bis 900 Euro.
Doch dann, welche Erleichterung, stellt ein Zahnarzt nach der Auswertung der Röntgenbilder die gleiche Diagnose wie der unabhängige Gutachter Dr. Uwe Nikusch. Karies an vier Stellen. Eine davon behandlungsbedürftig.
Überbehandlung bei zwei von sechs Zahnärzten
Am Ende war das Testergebnis folgendes: Sechs Zahnärzte wurden getestet. Zwei sahen keine behandlungsbedürftige Karies. Zwei stellten dieselbe Diagnose wie der Gutachter und gaben dieselbe Behandlungsempfehlung. Und zwei Zahnärzte wollten deutlich mehr Karies behandeln, als im Gebiss des Testpatienten tatsächlich vorhanden war. Der Gutachter sprach in diesem Zusammenhang von »finanziellen Gedanken«, die da eine Rolle gespielt haben könnten.
Mit Verlaub, ich finde, man muss es anders ausdrücken: Zwei von sechs getesteten Zahnärzten waren tatsächlich so geldgierig und dreist, dass sie dem Testpatienten mehrere Löcher in den gesunden Zahnschmelz bohren wollten. Eine schamlose Ausnutzung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient. Für mich eine Sache, die vor Gericht gehört. Das ist versuchte Körperverletzung und Betrug. Der Test mag mit sechs überprüften Zahnärzten klein sein und kann nicht beanspruchen, die Überversorgung wissenschaftlich bewiesen zu haben. Doch eine »Trefferquote« von 33 Prozent bei einer solchen Stichprobe ist besorgniserregend. Oder was meinen Sie?
Das Problem ist auch hier wieder: Vor Gericht müsste man diesen Ärzten Vorsatz nachweisen und das ist fast unmöglich. Auch Zahnärzte können sich im Ernstfall immer auf ihre Inkompetenz berufen. Egal, ob sie gesunde Zähne ziehen, überflüssige Versiegelungen oder Reinigungen vorschlagen oder eben nicht vorhandene Karies entfernen: »Ich hab da aber eine Verfärbung gesehen.« »Ich hab da ein Datenblatt vertauscht.« »Ich folge hier den Leitlinien der Wissenschaftlichen Fachgesellschaft.« Die Ausreden sind so simpel. Und Sie haben als Patient größte Schwierigkeiten zu beweisen, dass die Ärzte andere, dass sie niedere Beweggründe haben. Die Staatsanwaltschaft nimmt deshalb solche Klagen in der Regel gar nicht an. Tatsächlich steht ja auch kaum zu erwarten, dass ein Zahnarzt im Gerichtssaal seine Motivation für die Überbehandlung offen zugibt: »Ja, wissen Sie, Herr Richter, ich war eigentlich schon als Schüler der Meinung, dass ein Porsche so gut zu meiner Persönlichkeit passt. Und irgendwann muss man sich seine Träume auch mal verwirklichen. Die Unversehrtheit meiner Patienten ist mir da – ehrlich gesagt – nicht so wichtig.«
Betrug durch den Zahnarzt bleibt unentdeckt
Im Studiogespräch, das auf diesen Beitrag in der Sendung Marktcheck folgt, sagt ein Mann von der Techniker Krankenkasse, dass sich das Bild, das der Beitrag zeichne, nicht ganz mit der Beschwerdesituation decke, wie sie bei der TKK vorliege. Doch wie soll sie das auch? Diese Überbehandlung bleibt in den allermeisten Fällen unentdeckt. Wie viele Patienten holen sich denn eine Zweitmeinung ein, wenn ihr Zahnarzt ihnen sagt: »Wir müssen da drei Stellen machen.« Am Ende noch, wenn der Patient Zahnschmerzen hat. Da haben die Bohrer leichtes Spiel. Und nach dem Eingriff kann keiner mehr sehen, ob diese Plombe medizinisch einen Sinn hatte. Besser noch: Jede Füllung garantiert weitere Umsätze. Der Zahnschmelz ist verletzt. Und »Sekundärkaries« (hier nicht ganz der treffende Ausdruck) bildet sich fast unausweichlich.
Der Beitrag meiner Kollegen vom SWR-Verbrauchermagazin Marktcheck ist in meinen Augen öffentlich-rechtlicher Journalismus vom Feinsten. Aber er ist natürlich keine wissenschaftliche Studie, sondern nur eine Stichprobe. Aber überlegen Sie mal: In dieser Stichprobe hat ein Drittel der Zahnärzte Karies und andere behandlungsbedürftige Probleme diagnostiziert, wo es die gar nicht gab. Ein Drittel! Da müssten bei den entsprechenden Fachgesellschaften doch alle Alarmglocken klingeln. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung wurde in dem Stück meiner Kollegen dann auch zum erschreckenden Ergebnis der Stichprobe befragt. Was glauben Sie, wie hat
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