Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)
zunächst nur Anekdoten. Einzelerlebnisse, die nicht den Anspruch erheben können, die allgemeine Situation angemessen abzubilden. Vor wenigen Monaten hat das SWR-Verbrauchermagazin Marktcheck jedoch einen Test gemacht. Mit einem Szenario, von dem ich schon lange geträumt habe: Ein von einem Experten untersuchter und exakt diagnostizierter Patient wird als Lockvogel in verschiedene Praxen geschickt.
Zahnärzte auf dem Prüfstand
Dr. Uwe Nikusch von der Zahnärztlichen Patientenberatung in Heidelberg untersucht den Testpatienten Holger intensiv. Zunächst nur per Augenschein. Da fällt Dr. Nikusch nichts negativ auf. Der Testpatient Holger hat ein gut gepflegtes Gebiss. Doch das Röntgenbild zeigt an vier Stellen Karies. Das ist nicht ungewöhnlich, denn Karies beginnt zunächst unter dem Zahnschmelz. Nur eine der Stellen – sagt Dr. Nikusch – ist so groß, dass sie aufgebohrt und behandelt werden sollte. Die anderen sind noch nicht behandlungsbedürftig. Tatsächlich können kleine Kariesstellen sogar von alleine heilen.
Wie bei diesen Reportagen üblich, wird mit versteckter Kamera gearbeitet. Die Gesichter der Ärzte werden im Schnitt – wenn der Fernsehbeitrag montiert wird – unkenntlich gemacht. Ihre Aussagen werden mit anderen Stimmen übersprochen, damit die Ärzte auch anhand der Stimme nicht identifiziert werden können. Denn was die Protagonisten dieser verdeckt dokumentierten Vorgänge so von sich geben, kann – sagen wir es mal vorsichtig – extrem rufschädigend sein. Aber es könnte theoretisch auch mal reiner Zufall, ein Ausrutscher, ein dummes Versehen sein. Trotzdem wäre der Ruf der entsprechenden Personen ruiniert. Deshalb müssen sie anonymisiert werden. Schon die erste Zahnärztin muss dieser behutsamen Regelung ihr Leben lang dankbar sein.
Denn bereits nach einer kurzen Begutachtung von Lockvogel Holgers Mundraum stellt sie fest: »Ihr Zahnfleisch ist an vielen Stellen gerötet, entzündet und blutet sehr leicht. Da brauchen Sie dringend eine professionelle Zahnreinigung.« Welche Überraschung: Vor einer knappen Stunde war Holgers Zahnfleisch noch kerngesund. Jetzt soll es plötzlich entzündet sein. Und die Zahnärztin entdeckt angeblich noch mehr Probleme: »Sie haben an allen großen Backenzähnen eine beginnende Karies auf den Kauflächen. Insgesamt sind das acht Zähne. Die sollten versiegelt werden.« Das hat die Ärztin alles mit unbewaffnetem Auge erkannt. Mithilfe der Röntgenbilder entdeckt sie noch mehr Probleme. Am Ende möchte sie sechs Löcher bohren und fünf Zähne versiegeln. Gesamtkosten zirka 1200 Euro.
Wieder aus der Praxis, wundert sich der Lockvogel Holger vor der Kamera: »Laut dieser Zahnärztin habe ich ein komplett sanierungsbedürftiges Gebiss. Interessant auch, dass die Zahnärztin mit bloßem Auge viele Karies-stellen entdeckt haben möchte. Und das Ganze hatte überhaupt viel mehr von einem Verkaufsgespräch als von einem Arztbesuch.«
Dr. Uwe Nikusch, der Holgers Gebiss zuvor begutachtet hatte, wundert sich über den Behandlungsbedarf, den seine Kollegin festgestellt haben will, und drückt seinen Verdacht dann sehr höflich aus: »Persönlich hat man da den Eindruck, da haben auch finanzielle Gedanken eine Rolle gespielt.«
»… haben finanzielle Gedanken eine Rolle gespielt«
Der nächste Zahnarzt, den der Lockvogel besucht, liefert ein Ergebnis, das mir persönlich sehr sympathisch ist: Er schaut dem Testpatienten in den Mund, sieht keine Probleme. Und sagt: Hier muss nix gemacht werden. Gut gepflegte Zähne. Dr. Nikusch, der Experte in diesem Beitrag, ist damit allerdings nicht zufrieden. Auch er hatte die Karies erst mithilfe von Röntgentechnik entdeckt. Und soll man tatsächlich bei jedem Zahnarztbesuch – auch wenn man zur Vorsorge kommt, ganz ohne Probleme – Röntgenaufnahmen machen? Bei mir bitte nicht!
Diese Überversorgung mit Röntgentechnik wird beim nächsten getesteten Zahnarzt moniert. Im Beitragstext heißt es: »Obwohl Holger aktuelle Aufnahmen dabeihatte, wurden weitere Bilder angefertigt. Mit zwei verschiedenen Aufnahmetechniken.« Geldmacherei! Der Zahnarzt hatte diese Apparaturen zur Bildgebung angeschafft. Also werden sie auch eingesetzt. Egal, ob schon Bilder vorhanden sind oder nicht. Wenn Ihnen das passiert, wehren Sie sich bitte. In dieser Praxis wird auch festgestellt, dass dringend eine Zahnsteinentfernung erforderlich ist. Wie weit hier die Ansichten auseinandergehen! Zahnstein hatte der zahnärztliche
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