Die weiße Mafia: Wie Ärzte und die Pharmaindustrie unsere Gesundheit aufs Spiel setzen (German Edition)
Antworten einen Spitzenplatz einnehmen. Ebenso die Beeinflussung der Ärzteschaft durch Informationskampagnen mit gemieteten Meinungsbildnern auf von der Industrie gesponserten Kongressen. Die Entwicklung von neuen Arzneimitteln nimmt vermutlich den letzten Platz auf dieser Liste der Möglichkeiten ein, finanzielle Mittel gewinnbringend einzusetzen. Verstörend ist aber auch die Bereitschaft der Wissenschaft, sich an diesem Betrug zu beteiligen, diese Praxis der Manipulation als Normalität zu akzeptieren.
Welches Ergebnis hätten Sie denn gerne?
Ich habe es selbst erlebt. Nicht direkt in der Pharmabranche, aber doch nicht weit davon entfernt. Es ging um Lebensmittel. Für unser Wissenschaftsmagazin hatte ich den Auftrag, Biogemüse gegen Gemüse aus konventionellem Landbau »antreten« zu lassen. Wie steht es mit den Vitaminen, Spurenelementen, Mineralstoffen, aber auch mit Rückständen von Pestiziden? Um diese und weitere Fragen klären zu lassen, suchte ich mir ein zertifiziertes Institut für Bioanalytik. Ich telefonierte mit dem Geschäftsführer und erklärte ihm mein Anliegen. »Und?«, war dann seine Frage. »Was ›und‹?«, wollte ich wissen. »Na ja, was soll denn rauskommen? Welches Ergebnis hätten Sie denn gerne?« Ich musste ihm tatsächlich erklären, dass wir ganz einfach an einem objektiven Ergebnis interessiert waren. Auch für ihn, den Geschäftsführer eines zertifizierten Instituts für Bioanalytik, war die Lieferung von Ergebnissen, die der Auftraggeber bestellt, die Normalität.
Im Studienwesen ist Betrug die Normalität. Was dagegen getan werden kann und getan werden muss, wo die Politik und der Gesetzgeber gefragt sind, bestehende Strukturen und Verfahren zu ändern, das werden wir uns in einem eigenen Kapitel anschauen. Hier bleibt zunächst festzuhalten, dass sich in der pharmazeutischen Industrie und in der per Drittmittel zugekauften akademischen Welt eine Kultur der Manipulation und Desinformation ausgebreitet hat, die fassungslos macht. Wer zu diesem Sachverhalt vertiefende Information aus erster Hand wünscht, dem empfehle ich das Buch Nebenwirkung Tod von John Virapen. Virapen war Geschäftsführer eines großen Pharmaunternehmens in Schweden. Er beschreibt sehr anschaulich, mit welcher Kaltschnäuzigkeit wirtschaftliche Ziele der Firma ganz vorne rangierten und das Patientenwohl eigentlich keine Rolle spielte. 68
8. Noch mehr Überversorgung
Bis zum bitteren Ende
Zum Schluss widmen wir uns noch einmal einem besonders schwierigen Thema: Medizin am Lebensende. Hier wird es unübersichtlich. Natürlicherweise steht es am Lebensende um die Gesundheit nicht mehr zum Besten. Da gibt es jede Menge zu behandeln. Das ist gefährlich! Dazu kommen noch die lebensverlängernden Maßnahmen, allen voran die künstliche Ernährung. Zu diesem Zeitpunkt hat der »terminal Kranke«, wie es bei den Medizinern heißt, das Interesse an dieser lebenserhaltenden Maßnahme offenbar schon verloren. Dazu möchte ich noch einmal aus dem Deutschen Ärzteblatt zitieren:
»Die Minderung der Aufnahme von Nahrung und Flüssigkeit ist Teil des natürlichen Sterbeprozesses. Man muss kein Arzt sein, um zu wissen, dass dieser Prozess Wochen oder Monate vor dem Tod mit nachlassendem Appetit, allmählicher Gewichtsabnahme, kleineren Mahlzeiten und Flüssigkeitsmengen, geringerer Aktivität und größerem Schlafbedürfnis einsetzt und fortschreitet, bis der Kranke schließlich in einen präfinalen Dämmerzustand verfällt oder rasch einer Infektion erliegt. Dieses Terminalstadium des Lebens ist weitgehend unabhängig von der Art der zugrunde liegenden Erkrankung: Bei dementen Patienten mag im Endstadium ihrer Erkrankung die Unfähigkeit zu schlucken ganz in den Vordergrund rücken; das Leiden von Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz oder Lungenemphysem mag geprägt sein von Kraftlosigkeit oder Widerwillen gegen Speisen, die mit einer Stauung im Bereich der Darmgefäße zusammenhängen; bei Tumorpatienten mögen sogenannte Anorexine (appetithemmende Stoffe) eine Rolle spielen. Gemeinsam ist dem Verlauf dieser Erkrankungen am Ende immer ein Nachlassen der Nahrungsaufnahme und die Entwicklung einer Dehydratation.« 69
Lebensverlängerung durch künstliche Ernährung
Aber was, wenn der Mann im weißen Kittel, den die Schwestern mit »Herr Oberarzt« anreden, Ihnen sagt: »Sie wollen doch Ihren Vater nicht verhungern lassen?« Dann wird es Ihnen schwerfallen, sich gegen eine Magensonde zur künstlichen Ernährung
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