Die Weisse Massai
Sinn, und meine Frage an Priscilla, warum alle hinter der Mauer verschwunden sind, erübrigt sich. Lketinga darf also gar nicht mit mir essen gehen, und ich kann nie etwas für ihn kochen. Komischerweise erschüttert mich diese Tatsache mehr als der Verzicht auf guten Sex. Als ich mich einigermaßen gefangen habe, will ich mehr wissen. Wie das sei, wenn zwei verheiratet sind. Auch da enttäuscht mich ihre Antwort. Die Frau ist grundsätzlich bei den Kindern und der Mann in Gesellschaft von anderen Männern seines Standes, also Kriegern, von denen ihm mindestens einer beim Essen Gesellschaft leisten muß. Es gehört sich nicht, allein eine Mahlzeit einzunehmen.
Ich bin sprachlos. Meine romantischen Phantasien vom gemeinsamen Kochen und Essen im Busch oder in der einfachen Hütte stürzen ein. Ich kann meine Tränen kaum zurückhalten, und Priscilla schaut mich erschrocken an. Dann bricht sie in Gelächter aus, was mich fast wütend macht. Plötzlich fühle ich mich einsam und merke, daß auch Priscilla eine mir fremde, in einer anderen Welt lebende Person ist.
Wo bleibt nur Lketinga? Es ist Nacht geworden, und Priscilla serviert auf zwei zerbeulten Aluminiumtellern das Fleisch. Inzwischen bin ich richtig hungrig, probiere und bin überrascht, wie weich es ist. Der Geschmack ist allerdings sehr eigenartig und salzig wie Sudfleisch. Wir essen schweigend mit den Händen.
Spät verabschiede ich mich und ziehe mich in Priscillas ehemaliges Häuschen zurück. Ich bin müde, zünde die Petroleumlampe an und lege mich auf das Bett. Draußen zirpen die Grillen. Meine Gedanken kehren in die Schweiz zurück, zu meiner Mutter, zu meinem Geschäft und dem Bieler Alltag. Wie anders ist hier die Welt! Trotz aller Einfachheit scheinen die Menschen glücklicher zu sein, vielleicht gerade weil sie mit weniger Aufwand leben können. Dies geht mir durch den Kopf, und sofort fühle ich mich wohler.
Plötzlich geht die Holztüre quietschend auf, und Lketinga steht lachend im Türrahmen. Er muß sich bücken, damit er überhaupt eintreten kann. Er schaut sich kurz um und setzt sich zu mir auf die Bettpritsche. »Hello, how are you? You have eat meat?« fragt er, und so wie er mich fragend und gleichzeitig fürsorglich aushorcht, fühle ich mich gut und empfinde ein großes Verlangen nach ihm. Im Schein der Petroleumlampe sieht er wunderbar aus. Sein Schmuck glänzt, der Oberkörper ist nackt und nur mit den zwei Perlenschnüren verziert. Das Wissen, daß sich unter dem Hüftrock nichts außer Haut befindet, erregt mich sehr. Ich ergreife seine schlanke, kühle Hand und drücke sie fest an mein Gesicht. In diesem Moment fühle ich mich verbunden mit diesem mir im Grunde völlig fremden Menschen und weiß, daß ich ihn liebe. Ich ziehe ihn an mich und spüre sein Körpergewicht auf mir. Ich presse meinen Kopf seitlich an seinen und rieche den wilden Geruch seiner langen roten Haare. Eine Ewigkeit verharren wir so, und ich merke, wie auch ihn die Erregung überkommt. Es trennt uns nur mein leichtes Sommerkleid, das ich jetzt ausziehe. Er dringt in mich ein, und diesmal spüre ich, wenn auch nur für kurze Zeit, ein ganz neues Glücksgefühl, ohne zum Höhepunkt zu kommen. Ich fühle mich eins mit diesem Menschen und weiß in dieser Nacht, daß ich trotz aller Hindernisse bereits eine Gefangene seiner Welt bin.
Nachts spüre ich ein Ziehen in der Bauchgegend und packe meine Taschenlampe, die ich glücklicherweise am Kopfende deponiert habe. Beim Öffnen der quietschenden Türe hören mich vermutlich alle, denn außer den nimmermüden Grillen ist es still. Ich begebe mich auf den Weg zur »Hühnertoilette«, die letzten Stufen springe ich förmlich und erreiche den Ort gerade noch rechtzeitig. Da sich alles in der Hocke abspielt, zittern meine Knie. Mit letzter Kraft komme ich wieder hoch, fasse die Lampe und klettere zurück über die Hühnerleiter zum Häuschen. Lketinga schläft friedlich. Ich quetsche mich zwischen ihn und die Wand auf die Pritsche.
Als ich erwache, ist es bereits acht Uhr, und die Sonne brennt kräftig, so daß es im Häuschen stickig heiß ist. Nach dem üblichen Tee und dem Waschritual will ich meine Haare waschen. Aber wie, ohne fließendes Wasser? Wir bekommen unser Wasser in Zwanzig-Liter-Kanistern, die mir Priscilla täglich am nahen Ziehbrunnen auffüllt. Ich versuche, meine Absicht Lketinga mit der Händesprache klarzumachen. Er ist sofort hilfsbereit: »No problem, I help you!« Lketinga leert mit einer
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