Die Weisse Massai
erfaßt. Endlich vor dem Officer, bringe ich mühsam unser Anliegen vor. Dieser schaut nach geraumer Zeit von seiner Zeitung auf und fragt, was ich denn mit so einem, dabei schaut er abschätzig auf Lketinga, in der Schweiz wolle. »Holidays«, erwidere ich. Der Officer lacht und meint, solange dieser Massai nicht zivilisiert angezogen sei, bekomme er gar keinen Paß. Da er keine Ausbildung und keine Ahnung von Europa habe, müsse ich eine Kaution in Höhe von 1.000 Schweizer Franken hinterlegen und gleichzeitig ein gültiges Flugticket mit Hin- und Rückflug besorgen. Erst wenn ich dies erledigt hätte, könne er mir das Antragsformular geben.
Jetzt frage ich, entnervt von der Arroganz dieses Fettsacks, wie lange es noch dauere, wenn ich alles erledigt hätte. »Etwa zwei Wochen«, antwortet er, bedeutet uns mit der Hand, das Büro zu verlassen, und greift gelangweilt nach seiner Tageszeitung. Soviel Unverschämtheit verschlägt mir die Sprache. Statt alles abzublasen, stachelt mich sein Verhalten erst richtig an, um ihm zu zeigen, wer hier gewinnen wird. Vor allem will ich nicht, daß sich Lketinga minderwertig vorkommt. Außerdem möchte ich ihn bald meiner Mutter vorstellen können.
Ich verrenne mich immer mehr in diese fixe Vorstellung und beschließe, mit Lketinga, der mittlerweile ungeduldig und enttäuscht ist, ins nächste Reisebüro zu gehen und alles Notwendige zu erledigen. Wir treffen auf einen freundlichen Inder, der die Situation erfaßt und mich ermahnt aufzupassen, da viele weiße Frauen auf ähnliche Weise ihr Geld verloren hätten. Ich vereinbare mit ihm, uns eine Bestätigung über das Flugticket auszustellen, und deponiere das nötige Geld bei ihm. Er gibt mir eine Quittung und das Versprechen, mir den Betrag zurückzuerstatten, wenn es mit dem Paß nicht klappen sollte.
Irgendwie weiß ich, daß es waghalsig ist, aber ich verlasse mich auf meine gute Menschenkenntnis. Wichtig ist, daß Lketinga weiß, wo er hingehen kann, wenn er den Paß hat, um das Abflugdatum anzugeben. »Wieder einen Schritt weiter!« denke ich kämpferisch.
Auf einem nahe gelegenen Markt kaufen wir für Lketinga Hosen, Hemd und Schuhe. Das ist nicht einfach, denn sein Geschmack und meiner sind sehr gegensätzlich. Er möchte rote oder weiße Hosen. Weiße, denke ich, sind im Busch unmöglich und rot ist nicht gerade eine »männliche« Farbe für westliche Kleidung. Das Schicksal kommt mir zu Hilfe, alle Hosen sind zu kurz für meinen Zweimetermann. Nach langem Suchen finden wir endlich Jeans, die passen. Bei den Schuhen fängt es wieder von vorne an. Er trug bis jetzt nur Sandalen, die aus alten Autoreifen gefertigt sind. Wir einigen uns auf Turnschuhe. Nach zwei Stunden ist er neu eingekleidet, und mir gefällt er trotzdem nicht. Sein Gang ist nicht mehr schwebend, sondern schleppend. Er allerdings ist richtig stolz, zum ersten Mal im Leben lange Hosen, ein Hemd und Turnschuhe zu besitzen.
Natürlich ist es zu spät, um nochmal zum Büro zu gehen, und so schlägt Lketinga vor, zur Nordküste zu fahren. Er will mir Freunde vorstellen und mir zeigen, wo er gewohnt hat, bevor er sich bei Priscilla einquartierte. Ich zögere noch, da es schon vier Uhr ist und wir dann in der Nacht zur Südküste zurück müßten. Wieder einmal sagt er: »No problem, Corinne!« Also warten wir auf ein Matatu nach Norden, doch erst im dritten Bus finden wir ein winziges Plätzchen. Bereits nach wenigen Minuten läuft mir der Schweiß herunter.
Glücklicherweise erreichen wir bald ein wirklich großes Massai-Dorf, wo ich zum ersten Mal auf geschmückte Massai-Frauen treffe, die mich freudig begrüßen. Es ist ein Kommen und Gehen in den Hütten. Ich weiß nicht, staunen sie mehr über mich oder das neue Outfit von Lketinga. Alle begrapschen das helle Hemd, die Hosen, und sogar die Schuhe werden bewundert. Die Farbe des Hemdes wird langsam, aber sicher dunkler. Zwei, drei Frauen versuchen gleichzeitig, auf mich einzureden, und ich sitze stumm lächelnd da und verstehe gar nichts.
Zwischendurch kommen wieder viele Kinder in die Hütte. Sie staunen oder kichern mich an. Mir fällt auf, wie schmutzig alle sind. Plötzlich sagt Lketinga: »Wait here«, und schon ist er weg. Mir ist nicht sehr wohl. Eine Frau bietet mir Milch an, die ich angesichts der Fliegen ablehne. Eine andere schenkt mir ein Massai-Armband, das ich freudig anziehe. Offensichtlich arbeiten alle an irgendwelchen Schmuckstücken.
Etwas später erscheint Lketinga wieder und
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