Die Weisse Massai
sie annehmen, daß es Schwarzgeld sei, da Touristen nicht erlaubt ist, in Kenia zu arbeiten. Nun bin ich völlig sprachlos. Die Überweisungen hat meine Mutter veranlaßt, und deshalb sind die Belege in Barsaloi. Bestürzt stehe ich vor dieser Dame mit einem Bündel Geld, das sie mir nicht abnehmen will. Die Afrikanerin hinter dem Counter bedauert, mir ohne Nachweis, woher das Geld stammt, kein Ticket ausstellen zu können. Völlig entnervt breche ich in Tränen aus und stammle, daß ich mit soviel Geld dieses Office nicht mehr verlasse, ich sei doch nicht lebensmüde.
Die Afrikanerin starrt mich erschrocken an, und beim Anblick meiner Tränen gibt sie augenblicklich ihre Arroganz auf. »Wait a moment«, sagt sie beruhigend und verschwindet. Kurz darauf erscheint eine zweite Dame, erklärt mir nochmal das Problem und versichert, daß sie nur ihre Pflicht täten. Ich bitte sie, in Maralal bei der Bank nachzufragen, denn der Manager kenne mich gut. Die beiden besprechen die Angelegenheit. Dann kopieren sie lediglich meinen Wechsel sowie meinen Paß. Zehn Minuten später verlasse ich das Office mit dem Ticket. Nun muß ich ein internationales Telefon finden, um meiner Mutter den Überraschungsbesuch anzukündigen.
Während des Fluges wechseln meine Gefühle zwischen der Vorfreude auf die Zivilisation und Heimweh nach meiner afrikanischen Familie. Am Flughafen Zürich kann meine Mutter ihr Entsetzen bei meinem Anblick kaum verbergen. Ich bin dankbar, daß sie es nicht auch noch in Worte faßt. Hunger verspüre ich nicht, da ich im Flugzeug meine Mahlzeit sehr genossen habe, doch einen guten Schweizer Kaffee möchte ich trinken, bevor wir ins Berner Oberland aufbrechen. In den folgenden Tagen werde ich von Mutters Kochkünsten richtig verwöhnt und langsam werde ich etwas ansehnlicher. Wir reden viel über meine Zukunft, und ich erzähle von unserem Vorhaben mit dem Lebensmittelladen. Sie versteht, daß ich ein Einkommen und eine Aufgabe brauche.
Am zehnten Tag kann ich endlich zu einem Frauenarzt, der mich untersuchen soll. Leider fällt das Ergebnis negativ aus, ich bin nicht schwanger. Dafür besitze ich viel zu wenig Blut und bin stark unterernährt. Nach dem Arztbesuch stelle ich mir vor, wie enttäuscht Lketinga sein wird. Aber ich tröste mich mit der Gewißheit, daß wir noch viel Zeit haben, Nachwuchs zu bekommen. Täglich spaziere ich in der grünen Natur und bin in Gedanken in Afrika. Nach zwei Wochen plane ich bereits meine Abreise und buche meinen Rückflug, der in zehn Tagen stattfinden wird. Wiederum kaufe ich viele Medikamente, diverse Gewürze und packweise Teigwaren. Meine Ankunft teile ich Lketinga mit einem Telegramm an die Mission mit.
Die restlichen neun Tage schleichen ereignislos dahin. Die einzige Abwechslung ist die Hochzeit meines Bruders Eric mit Jelly. Sie spielt sich für mich wie in Trance ab, und ich empfinde den Luxus und das üppige Essen als unangenehm. Alle wollen wissen, wie das Leben in Kenia ist. Zu guter Letzt versucht jeder, mich zur Vernunft zu bringen. Doch für mich ist die Vernunft in Kenia, bei meiner großen Liebe und dem bescheidenen Leben. Ich will endlich wieder abreisen.
Abschied und Willkommen
Schwer beladen treffe ich am Flughafen ein. Der Abschied von meiner Mutter fällt mir diesmal besonders schwer, weil ich nicht weiß, wann ich wiederkommen werde. Am 1. Juni 1988 lande ich in Nairobi, und nehme ein Taxi zum Igbol-Hotel.
Zwei Tage später treffe ich in Maralal ein, schleppe mein Gepäck ins Lodging und überlege, wie ich nach Barsaloi gelangen kann. Täglich durchkämme ich den Ort in der Hoffnung, ein Fahrzeug zu finden. Sophia will ich ebenfalls besuchen, aber ich erfahre, daß sie im Moment ferienhalber in Italien ist. Am dritten Tag höre ich, daß nachmittags ein Laster mit Maismehl und Zucker für die Mission nach Barsaloi startet. Gespannt warte ich am Morgen vor dem Großverteiler, bei dem die Säcke abgeholt werden sollen. Tatsächlich erscheint gegen Mittag der Lastwagen. Ich spreche mit dem Fahrer und handle um den Preis, wenn ich vorne mitfahre. Nachmittags geht es endlich los. Wir fahren über Baragoi, also brauchen wir sicher sechs Stunden und werden erst in der Nacht Barsaloi erreichen. Auf dem Laster fahren mindestens fünfzehn Personen mit. Der Driver verdient gutes Geld dabei.
Die Fahrt dauert unendlich lang. Zum ersten Mal lege ich die Strecke mit einem Lastwagen zurück. In tiefer Finsternis überqueren wir den ersten Fluß. Nur der
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