Die Weisse Massai
verdeckt ist. Also reiße ich, ohne weiter zu überlegen, das Steuer nach links, während der Wildhüter an der Tür manipuliert.
Wie durch ein Wunder kracht der Wagen über den Beginn der immer höher werdenden Felsmauer. Wo ich auffahre, beträgt die Höhe etwa 30 cm. Wären wir nur ein kleines Stück weiter gewesen, wäre mir nichts anderes übrig geblieben, als frontal auf die Felswand zu fahren. Ich bete, der Wagen möge in den Büschen hängen bleiben, die Plattform beträgt höchstens fünf bis sechs Meter, dann geht es steil in den Dschungel hinunter.
Die Burschen sind in heller Aufregung, und der Wildhüter ist grau im Gesicht. Endlich bleibt der Wagen hängen, etwa einen Meter vor dem Ende des Plateaus. Ich zittere so sehr am ganzen Körper, daß ich unfähig bin auszusteigen.
Die Schüler klettern aus den Fenstern, da wir vorne bewegungslos hocken und dadurch die hintere Wagentüre verschlossen bleibt. Mit weichen Knien steige ich nun doch aus, um den Schaden zu begutachten. In diesem Moment beginnt der Wagen, sich langsam zu bewegen. Geistesgegenwärtig schnappe ich den erstbesten Stein und lege ihn unter ein Rad. Die Burschen finden heraus, daß das Bremskabel herausgerissen ist. Ratlos und geschockt stehen wir um das Fahrzeug, keine drei Meter vom Todeshang entfernt.
Wir können unmöglich hier im Busch bleiben, meint der Wildhüter, obwohl er diesmal bewaffnet ist. Es wird außerdem verdammt kalt, sobald es dunkel ist. Nach Barsaloi ohne Bremse weiterzufahren, ist genauso unmöglich. So bleibt nur der Rückweg nach Maralal, den ich, schlimmstenfalls im Vierrad, auch ohne Bremse schaffe. Zuerst muß der lange Wagen auf diesem schmalen Plateau gewendet werden. Wir suchen große Steine, und ich fahre vorsichtig an. Mehr als einen halben Meter nach vorne kann ich nicht, deshalb müssen mich die Burschen mit Steinen unter jedem Rad stoppen. Dann folgt dasselbe Manöver rückwärts, wobei ich nahezu nichts sehen kann. Mir läuft der Schweiß über das Gesicht, und ich bete zu Gott, daß er uns helfen möge. Nach diesem Erlebnis, bei dem wir knapp dem Tod entronnen sind, bin ich absolut überzeugt, daß es ihn gibt. Nach mehr als einer Stunde ist das zweite Wunder vollbracht, der Wagen ist gewendet.
Es ist bereits dunkel im Dschungel, als wir losfahren können, alles im ersten Gang und mit Vierrad. Wenn es bergab geht, wird der Wagen viel zu schnell, geradeaus heult dafür der Motor gräßlich auf, doch zu schalten traue ich mich nicht. Automatisch trete ich in kritischen Momenten auf die nicht funktionierende Bremse. Nach mehr als einer Stunde erreichen wir erleichtert Maralal. Hier überqueren die Leute friedlich die Straße in der Annahme, die wenigen Autos bremsen ab. Ich kann nur hupen, und die Leute springen schimpfend zur Seite. Kurz vor der Garage drehe ich den Zündschlüssel ab und lasse den Wagen ausrollen. Der Chef-Somali will gerade schließen. Ich erkläre ihm mein Problem und daß der Wagen voller Ware ist, die ich nicht ohne Aufsicht lassen kann. Er öffnet das Eisentor, und einige Männer schieben das Gefährt hinein.
Gemeinsam gehen wir Chai trinken und beraten, immer noch völlig geschockt, unsere Lage. Nun müssen wir ein Lodging suchen. Der Wildhüter schaut für sich, während ich natürlich die Burschen und meinen Helfer einlade. Wir nehmen zwei Zimmer. Die Burschen bemerken, sie könnten sich gut zu zweit ein Bett teilen. Ich will allein sein. Nach dem Essen verziehe ich mich. Bei dem Gedanken an meinen Mann wird mir ganz elend. Er weiß ja nicht, was geschehen ist, und wird sich große Sorgen machen.
Früh suche ich die Garage auf. Die Arbeiter sind dabei, unseren Wagen zu reparieren. Auch für den Chef-Somali ist es ein Rätsel, wie das passieren konnte. Um elf Uhr können wir aufbrechen, doch diesmal wage ich nicht, die Urwaldstraße zu benützen. Mir sitzt die Angst zu tief in den Knochen, und schließlich bin ich im vierten Monat schwanger. Wir fahren den Umweg über Baragoi, der etwa viereinhalb Stunden dauert. Während der Fahrt denke ich an die Sorge, die mein Mann mittlerweile haben muß.
Wir kommen gut voran. Diese Straße, deren einzige Tücke die vielen Schottersteine sind, ist viel anspruchsloser. Wir haben gut die Hälfte hinter uns, als nach dem Überqueren eines ausgetrockneten Flußbetts sich ein mir bereits vertrautes Zischen bemerkbar macht. Zu allem Unglück haben wir auch noch einen Platten! Alle steigen aus, und die Burschen hieven das Reserverad unter den
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