Die Weiße Ordnung
der Erzmagier.«
»Ich?«
»Wie du die Dinge immer hinnimmst. Ich hätte Schwierigkeiten damit.«
»Nein. Das hättest du nicht. Und weil du diese Schwierigkeiten nicht hättest, versuchen sie es gar nicht.« Das hatte Cerryl inzwischen verstanden. Er wurde auf mehrere Arten geprüft und er musste es über sich ergehen lassen. Denn eine Wahl hatte er nicht.
LII
A ls sich die Tür öffnete, traten Cerryl und Kesrik zurück – aus Hochachtung und aus Gewohnheit.
Der rotwangige und zerfurcht aussehende Magier mit dem dunkelroten Mal auf der Backe lächelte Jeslek an. »Seid gegrüßt.« Seine Augen fixierten Jeslek, der schmächtig wirkte im Vergleich zu Kinowin, und er achtete nicht weiter auf die zwei Magierschüler.
»Wie kann ich Euch helfen?« Jesleks Stimme klang weich und voll, als er dem größeren Magier, der soeben seine Gemächer betreten hatte, ins Gesicht sah.
Kinowin verbeugte sich vor Jeslek. An seinem weißen Kragen steckte nun die gleiche Kometenanstecknadel wie an Jesleks. Cerryl konnte sich nicht erinnern, dass Kinowin sie schon getragen hatte, als er ihn in den Turm gebracht hatte. War sie ihm bei der letzten Zusammenkunft der Weißen Magier verliehen worden?
»Im Hinblick auf die Straßenzölle und die Handelsprobleme mit der verfluchten Insel lässt der Erzmagier fragen, wie weit die Große Weiße Straße schon befahren werden kann.«
»Bis irgendwo hinter Tellura«, antwortete Jeslek. »Wenn Ihr Euch einen Augenblick geduldet, kann ich Euch eine genauere Antwort geben. Obwohl eine solche Genauigkeit nicht von großem Nutzen sein wird für Seine Hoheit.«
»Wie Ihr meint.«
Cerryl spürte die Spannung zwischen den beiden, verstand sie jedoch nicht ganz, weil – nach Gerüchten, die unter den Schülern kursierten – beide eine Abneigung gegen Sterol hegten. Eines hatte Cerryl schon ganz zu Anfang mitbekommen: Die Menschen machten sich gegenseitig das Leben schwerer als nötig.
»Das tue ich«, antwortete Jeslek. »Man sollte so genau wie möglich sein, wenn man dem Erzmagier dient, auch wenn die Genauigkeit im Grunde bedeutungslos ist.«
Cerryl beobachtete Jeslek mit Augen und Sinnen, als dieser an den Tisch trat und sich auf sein Spähglas konzentrierte. Kesrik, der neben Cerryl stand, sah völlig gelangweilt aus, als hätte er den Vorgang schon oft gesehen.
Cerryl passte genau auf und versuchte nachzuvollziehen, wie Jeslek die Weiße des Chaos und die Dunkelheit der Ordnung herbeirief und beides auf das Glas bündelte. Obwohl er die schimmernde Oberfläche nicht genau erkennen konnte, fühlte er, dass sich ein Bild formte – das Bild einer gepflasterten Straße.
Plötzlich bewegte sich das Bild, es wimmelte nur so von Menschen, die in einer niedrigen Rinne herumliefen, welche gleich hinter ihnen endete. Dann verschwand das Bild vom Glas. Cerryl befeuchtete sich die Lippen und versuchte sich einzuprägen, wie der Magier die Bilder so schnell heraufbeschworen hatte.
Jeslek hob mit einem zufriedenen Lächeln den Blick vom Glas. »Die Große Weiße Straße ist bis weit hinter Tellura fertig gestellt, zwei Tagesreisen etwa, und die weiteren Grabungen sind schon bis zu einem Punkt nordwestlich von Quessa vorgedrungen.«
Ein fragender Blick bemächtigte sich Kesriks Gesicht.
Jesleks Augen wanderten von Kesrik zu Cerryl und dann wieder zu Kinowin. »Wird diese Auskunft reichen?«
»Ich werde sie dem Erzmagier so überbringen.«
»Vielleicht könnt Ihr den Bau beschleunigen«, schlug Jeslek vor, »mit Eurer so geschickt verborgenen Chaos-Anwendung.«
»Vielleicht, aber leider beherrsche ich das nicht so gut wie Ihr«, entgegnete Kinowin. »Ihr seid der Meister der Erdkräfte.«
Eine Brise wehte den leicht sauren Geruch von welkenden Blättern durch die Fenster, sie verebbte jedoch wieder, noch bevor der Raum sich abgekühlt hatte.
Cerryl fühlte wie er in seiner rot geränderten, weißen Tunika der Magierschüler schwitzte, doch er stand so ruhig er nur konnte.
»Wir alle gehen dorthin, wohin wir gerufen werden«, sagte Jeslek.
»Wie wahr.« Kinowin verbeugte sich und verließ den Raum.
Als die Tür ins Schloss fiel, wandte sich Jeslek an seine Schüler, sein Blick fiel auf Kesrik. »Du weißt nichts über Quessa, habe ich Recht?«
»Ja, Ser«, gab der stämmige Blonde zu.
»Du hast meine Erlaubnis, ein Spähglas und die Bibliothek zu benutzen. Übermorgen wirst du alles wissen, was es über Quessa zu wissen gibt.« Ohne Pause drehte sich der Weiße Magier zu Cerryl.
Weitere Kostenlose Bücher