Die Weiße Ordnung
viele Rösser reiten insgesamt mit? Wie viele Tage? Wie viel Getreide muss ich dann mitnehmen? Wie viele Lanzenreiter? Wie viele Soldaten müssen wir ernähren? Wie viel kann man durch Plünderungen erzielen? Für diese Dinge braucht man Zahlen. Aber bei der Dunkelheit, die Hälfte der Zeit während eines Kampfes sieht man nicht, wie viel oder wo man was hat. Und man verfügt nicht über die Zeit, ein Glas zu befragen; und selbst wenn du es tust, findest du gar nicht schnell genug heraus, was du gesehen hast, weil sich alles sofort wieder verändert.«
Eliasar ging durch eine offene Tür, die in einen langen Raum führte, in dem sich, so schien es Cerryl, Waffenregal an Waffenregal reihte. Der Weiße Magier ließ ein Heer von Lanzen aus weißer Bronze hinter sich, die in ihren Halterungen schimmerten, und blieb vor einem Gestell stehen, von dem er etwas herunternahm, das wie ein gepolstertes Hemd aussah. »Zieh das an. Einfach über die Tunika. Lange musst du es nicht tragen.«
Cerryl streifte sich das gepolsterte Hemd über.
»Und jetzt das.« Eliasar hielt ihm etwas hin, das eine Rüstung aus Bronze zu sein schien, ein Brust- und Rückenharnisch und ein Schulterschutz, von dem er nicht genau wusste, wie man ihn bezeichnete. »Über den Kopf damit.«
Der Magierschüler kämpfte sich in die schwere Rüstung.
»Denk daran, dass es nur weiße Bronze ist. Guter Stahl ist schwerer.«
Schwerer? Cerryl konnte sich nicht vorstellen, eine noch schwerere Rüstung zu tragen.
»Und das ist nur eine Teilrüstung.« Eliasar nahm ein langes, schweres Schwert und ein Paar Panzerhandschuhe mit und ging hinaus. Von Cerryl erwartete er wohl, dass er ihm folgte. »Du wirst eine solche Rüstung vielleicht niemals wieder tragen müssen, aber heute kommst du nicht darum herum.«
Der Junge folgte dem Magier hinaus und über einen anderen Innenhof, einen weiteren Flur entlang und dann auf einen menschenleeren Übungsplatz, wo ein dicker, grob behauener Holzpfosten stand. Eliasar blieb ein halbes Dutzend Ellen vor dem Pfosten stehen. »Wie fühlst du dich?«
»Sie ist schwer«, musste Cerryl zugeben.
Eliasar gab Cerryl ein Paar Bronzehandschuhe. »Zieh sie an.«
Cerryl streifte die Panzerhandschuhe über. Überraschenderweise ließen sich die Finger aus Metall sehr leicht bewegen.
»Nimm das.« Eliasar hielt ihm das Schwert hin und zeigte dann auf den Holzpfosten. »Schlag drauf.«
Cerryl sah den Magier ratlos an. »Ich weiß nicht wie.«
»Heb einfach das Schwert und schlag drauf.« Eliasar wich einige Schritte zurück.
Ungeschickt hob Cerryl das Schwert hoch und schwang es herum. Die weiße Bronze prallte vom Holz ab und Cerryl stolperte; nur mit Mühe fand er das Gleichgewicht wieder.
»Schlag noch einmal zu.«
Cerryl stemmte das Schwert noch einmal mit aller Kraft hoch, und als die Klinge den Pfosten traf und wieder abprallte, durchzuckte ein schrecklicher Schmerz seinen Arm.
»Noch einmal.«
Mit beiden Händen umklammerte Cerryl das große Heft und schlug noch einmal zu. Sein Arm wurde taub.
»Hör nicht auf!«, forderte Eliasar.
Als der Waffen-Magier Cerryl schließlich erlaubte aufzuhören, war der Junge schweißgebadet und konnte die Klinge kaum mehr heben, um sie Eliasar zurückzugeben.
»Gar nicht so einfach, nicht wahr?«, fragte der vierschrötige Magier und nahm auch die Panzerhandschuhe entgegen.
»Nein, Ser.«
»Du hast die Klinge gerade einmal den zehnten Teil eines Morgens geschwungen, so mancher Kampf dauert aber einen ganzen Tag. Denk daran, wenn du einem Soldat befiehlst zu kämpfen.« Eliasar drehte sich um – wieder musste der Junge ihm folgen – und führte Cerryl in einen für diesen bislang unbekannten Innenhof.
Strohpuppen standen aufgereiht vor mehreren Stoffbahnen.
»Bogenschützen. Drei Lagen Stoff übereinander. Dadurch werden die Schäfte und Spitzen der Pfeile nicht so schnell zerstört.« Eliasar nahm von irgendwoher einen Bogen. »So … hier haben wir einen Bogen. Und so spannt man ihn.« Mit einigen blitzschnellen Handgriffen – Cerryl konnte kaum folgen – hatte der Waffen-Magier den Bogen gespannt. »Nun versuch du es.« So schnell der Magier die Waffe gespannt hatte, so schnell war die Sehne auch wieder abgenommen und Eliasar drückte Cerryl den Bogen in die Hand.
Cerryl musste die Knie zu Hilfe nehmen und sein ganzes Körpergewicht einsetzen, nur um den Bogen zu biegen; zwei Finger hatte er sich zerschrammt, als er die Waffe schließlich unter Aufbringung seiner ganzen
Weitere Kostenlose Bücher