Die Weiße Ordnung
viel Macht besitzt und alle das wissen. Deshalb lache ich viel. Lachende Magier werden nicht sehr ernst genommen.«
»Genauso wie Frauen«, fügte Lyasa hinzu.
Das erinnerte Cerryl an Benthann und ihre Meinung über Frauen, wonach diese nur danach beurteilt wurden, was sie im Bett leisteten. »In der Gilde werden aber doch Frauen als gleichgestellte Magier zugelassen. Was ist mit Anya oder der älteren Frau in Ruzor, von der mir Myral erzählt hat?«
»Shenan«, murmelte Lyasa. »Ich glaube, sie ist Myrals jüngere Schwester. Aber er spricht nicht darüber.«
Leyladin runzelte die Stirn. »Er hat sie mir gegenüber nie erwähnt.«
»Es gibt für gewöhnlich bei jedem Magier etwas, über das er nicht spricht.« Lyasa nahm einen langen Zug aus ihrem Bierhumpen. »Das tut gut.«
»Was hast du heute gemacht?« Cerryl sah die schwarzhaarige Schülerin an.
»Anya und Whuyl haben mir gezeigt, wie man mit dem Dolch umgeht – im Nahkampf. Es ist schwierig.«
Cerryl aß einen Bissen vom Lamm, es war trocken trotz der dicken Soße. »Mir hat keiner etwas über Dolche beigebracht.«
»Anya meint, für eine Magierin ist das von äußerster Wichtigkeit.«
»Sie muss es ja wissen«, sagte Leyladin leise. »Wenn man damit jemanden umbringen kann, hat sie sich zweifellos schon damit beschäftigt.«
»Sie hat wahrscheinlich keine Wahl«, bemerkte Lyasa. Ein trockenes Lächeln umspielte ihre Lippen. »Man kann schließlich nicht alles mit körperlichem Einsatz erreichen.«
Cerryl hätte sich beinahe verschluckt, besonders da er gerade Faltar an der Anrichte stehen sah.
»Wir werden uns benehmen«, versprach Leyladin mit funkelnden Augen.
Cerryl hätte es eigentlich lieber gehabt, sie würde sich nicht benehmen. Auch Lyasa schnaubte.
Dann wagte Cerryl, die Frage zu stellen, die ihm schon über ein Jahr auf der Zunge brannte. »Warum verbringst du so viel Zeit bei Myral? So viel Heilkraft benötigt er doch gar nicht.«
»Myral ist alt, sehr alt für einen Weißen Magier, Cerryl. Er ist bestimmt schon an die sechzig, die meisten Weißen hingegen werden nicht viel älter als vierzig.« Leyladin hob die Schultern und ließ sie fallen. »Ich bin Heilerin, das ist es, was er braucht.«
»Das ist alles?«
»Der Umgang mit Chaos nimmt den Körper schwer mit. Das solltest du doch wissen. Besonders nach dem heutigen Tag.«
Cerryl lächelte beschämt. »Aber Myral?«
»Ich bin Heilerin, Cerryl. Myral ist sich nicht zu stolz, mich um Hilfe zu bitten, anders als Sterol oder Esaak. Außerdem kann ich von ihm lernen. Er weiß viel.« Leyladin betrachtete Cerryls Gesicht. »Du … du bist doch wohl nicht eifersüchtig?«
Cerryl schlug erst die Augen nieder, dann zwang er sich, in diese lachenden grünen Augen zu schauen. »Doch.«
»Ehrlich?«
»Ich weiß nicht, wie ehrlich«, antwortete Cerryl.
»Du bist ehrlich. Das ist mit ein Grund, warum Myral dich mag.«
»Nur mit Ehrlichkeit kommt man hier aber nicht weiter.«
»Nein«, warf Lyasa ein, »das reicht nicht. Aber all die anderen Sachen, die man wissen muss, nützen einem ohne Ehrlichkeit auch nichts. Nicht über längere Zeit hinweg.«
»O je … was sind wir doch philosophisch heute …«, lachte Leyladin.
Cerryl und Lyasa fielen in ihr Lachen ein.
LXXXV
» D ie Lage spitzt sich zu in Gallos.« Jeslek schritt um den Tisch herum, dann starrte er aus dem Fenster seines Gemachs. »Sogar der Erzmagier ist ernsthaft besorgt.« Seine Augen wanderten zu Cerryl, dann zu Kochar. »Wir werden nach Jellico reisen, übermorgen. Packt zusammen, was ihr für eine lange Reise braucht.«
»Ja, Ser«, sagte Kochar.
Cerryl nickte nur.
»Es werden auch andere Magier und Lehrlinge dabei sein. Ihr könnt eure eigenen Gläser mitnehmen, aber keine Bücher. Kein Wort von der Reise außerhalb der Hallen. Das gilt für euch beide.« Dieses Mal blieben die goldenen Augen des Magiers auf Kochar haften. »Ihr könnt gehen.«
Das hieß zumindest, dass sich Cerryl einstweilen keine Gedanken mehr um Esaak und seine Mathematik machen musste. Er verbeugte sich und folgte Kochar zur Tür hinaus.
Auf dem Flur musste Cerryl Kinowin ausweichen. Der hünenhafte Magier mit den dunkelroten Flecken auf der Wange lief mit einer Geschwindigkeit zu Jesleks Tür, die nichts Gutes verhieß.
Der schlanke Magierschüler schlenderte weiter den Flur entlang. Was brauchte er für eine solche Reise? Welche Art von Reise würde es werden? Er wünschte, er hätte gefragt, aber Jeslek ermutigte mit seiner
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