Die Weiße Ordnung
und Straßenzölle. Die Waren werden nicht schon bei der Herstellung mit Steuern versehen, so wie die Wolle an den Schafen wächst. Deshalb wird es immer welche geben, die diese Abgaben umgehen wollen, auch in Fairhaven. Nicht einmal alle Chaos-Feuer zusammen, die du oder der große Jeslek heraufbeschwören könntet, vermögen jene aufzuhalten, die nur für Gold und Silber leben.« Myral deutete zur Tür. »Geh und hol dir, was du brauchst. Und sag Yubni, wozu du es brauchst. Sag ihm auch, ich und Jeslek legen großen Wert darauf, dass du gut auf die Reise vorbereitet bist.«
»Danke.«
»Das ist das Mindeste, was ich tun kann.« Myral hustete, jedoch nur einmal, und lächelte.
Cerryl stieg langsam die Turmtreppe hinunter und hoffte, die Ratschläge, die Myral ihm gegeben hatte, alle befolgen zu können. Die Salbe hielt er fest in der Hand.
Bealtur nickte, als er Cerryl auf dem Flur vor dem Studiersaal begegnete. Der spitzbärtige Magierschüler sagte jedoch nichts und Cerryl wollte nicht immer der Erste sein, der einen höflichen Gruß entbot.
Cerryl ging weiter, bis er seine Zelle erreichte. Noch immer fühlte er sich etwas steif und er fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis er sich endlich ans Reiten gewöhnt hatte. Er trat vor seinen Schreibtisch.
Ein Kästchen lag dort, bezogen mit weichem grauem Leder. Stirnrunzelnd öffnete Cerryl es. Er musste herzlich lachen, als er den Rasierer aus Weißbronze herausnahm. Dann strahlte er übers ganze Gesicht. »Sie macht sich etwas aus mir.« Und sie hat Sinn für Humor, wenn es um die Durchsetzung ihrer Ansichten geht … Er musste immer noch lächeln, als er den Rasierer zurück ins Kästchen legte.
LXXXVI
E in leichter Wind aus Nordwesten blies die kleinen Staubkörner und den Straßenschmutz, den die Reiter vor ihm aufwirbelten, Cerryl genau ins Gesicht. Der Magierschüler verlagerte sein Gewicht im Sattel und wünschte, er würde sich endlich an den großen Braunen gewöhnen; dann fiel sein Blick nach Westen.
Jeslek ritt an der Spitze der Kolonne, ohne Kopfbedeckung, sein weißes Haar glänzte in der Vormittagssonne. Neben ihm ritt der schlaksige Klybel, der Hauptmann der Weißen Lanzenreiter. Dahinter folgte die rothaarige Anya und neben ihr Fydel mit seinem langen Bart. Die drei Magierschüler ritten in der dritten Reihe: Cerryl, Kochar und Lyasa. Eine Abordnung der Weißen Lanzenreiter begleitete die Magier – es mussten fast hundert Reiter sein, schätzte Cerryl, einen Versuch sie zu zählen hatte er noch nicht unternommen.
Keiner sprach ein Wort, nur das Schnauben der Pferde und der Hufschlag auf den Steinen war zu hören. Aufs Neue verlagerte Cerryl sein Gewicht, um sich weniger unbehaglich zu fühlen. Ohne das Reiten wäre er sicher glücklicher, nur kam er damit schneller vorwärts als zu Fuß.
Der Wind, der aus dem klaren grünblauen Himmel im Nordwesten wehte, war kalt und kündigte den bevorstehenden Winter an, obwohl die Sonne noch warm schien, warm genug, dass Cerryl leicht schwitzte.
Plötzlich lehnte sich Jeslek zu Klybel hinüber, dann hob er den Arm.
Klybel lenkte sein Pferd auf den erhöhten Seitenstreifen neben der Straße und befahl: »Lanzenreiter … HAAALT!«
Cerryl zügelte hastig seinen Braunen, machte einen Satz nach vorn und wäre beinahe mit dem Gesicht in der Mähne des Pferdes gelandet.
Jeslek umkreiste Anya und Fydel, dann lenkte er sein Pferd zu den Magierschülern. »Seht ihr die Straße?«
»Ja, Ser«, antworteten Kochar und Cerryl. Lyasa nickte.
»Glaubt ihr nicht, dass sie ein wenig zu … ungeschützt ist?« Ein Lächeln zog Jesleks dünne Lippen auseinander.
»Jeder kann das sehen«, beeilte sich Kochar zu antworten.
Lyasa schwieg und Cerryl nickte, jedoch zögernd.
»Du stimmst mir nicht zu, Cerryl?«
»Sie liegt offen da, Ser. Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist. Es ist gut für jene, die Straßenräuber fürchten, aber es könnte schlecht sein aus anderen Gründen.«
»Du bist sehr vorsichtig. Warum?«
»Weil ich wenig davon verstehe. Ich habe weder mein ganzes bisheriges Leben in Fairhaven zugebracht noch so viel gelernt und studiert wie Ihr oder die anderen Magier.«
»Zumindest kennst du deine Grenzen. Im Gegensatz zu manch anderem.« Jeslek lachte, dann wandte er sich an Kochar. »Glaubst du, es wäre besser, wenn die Straße weniger frei daliegen würde?«
Kochar versuchte seinen ratlosen Gesichtsausdruck zu verbergen. »Wäre sie weniger gut einsehbar, könnten die
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