Die Weiße Ordnung
Weißen Lanzenreiter sich darauf bewegen, ohne dass ganz Candar wüsste, wo sie hinreiten.«
»Das stimmt.« Jeslek lächelte kalt. »Aber wir befinden uns lediglich ein paar Meilen von Fairhaven entfernt, hier spielt das noch keine so große Rolle.«
Kochars Gesicht nahm einen gleichgültigen Zug an.
»Aber … hinter den Osthörnern, dort wo die Straße auf den Ebenen von Gallos verläuft, herrschen andere Gesetze. Und deshalb reiten wir dorthin.« Das Lächeln auf seinem Gesicht verschwand. »Ich möchte, dass ihr auf dem Weg dorthin eure Sinne gebraucht, um herauszufinden, wie die Straße gebaut ist und wie sie zusammengehalten wird. Der innere Aufbau einer Straße ist genauso wichtig wie die Berechnungen, die Esaak euch anstellen lässt.«
Gallos?
Sie hatten noch nicht einmal Certis erreicht und Jeslek sprach schon von Gallos?
»Hört auf, ihnen Angst einzujagen«, sagte Anya mit einem Lächeln, als Jeslek sein Ross herumlenkte und zu den anderen beiden Magiern zurückritt.
»Auch Euch würde es nicht schaden, die Straßen zu studieren, Anya. Bei Euren … Neigungen«, schlug Jeslek mit gemeiner Miene vor. »Auch Ihr, Fydel. Wir haben noch viel zu tun.« Er nahm das Pferd herum und trabte an den zwei Magiern vorbei und neben den Hauptmann der Lanzenreiter. Klybel hob erneut den Arm und er und Jeslek ritten weiter, als wäre nichts geschehen.
»Wir reiten nach Gallos?«, flüsterte Kochar.
»Es scheint so«, antwortete Lyasa.
Cerryl runzelte die Stirn. Warum hatte Jeslek die ganze Kolonne angehalten? Der Weiße Magier hätte seine Belehrungen auch abgeben können, ohne die Lanzenreiter aufzuhalten, doch darauf hatte er anscheinend Wert gelegt, wie auch auf die spitzen Bemerkungen Anya und Fydel gegenüber.
Mit etwas Verspätung schnalzte Cerryl mit den Zügeln und machte erneut einen Satz nach vorn, als sich der Braune in Bewegung setzte.
LXXXVII
A ls der Zug über die breite Steinbrücke ritt, die sich über den Fluss Jellicor spannte, fiel Cerryls Blick auf die Mauer, die sich weniger als eine halbe Meile nördlich der Brücke erhob. Jellico war eine ummauerte Stadt – eine gut geschützte Stadt mit einer Brustwehr, die mindestens vierzig Ellen über der Straße verlief, welche zu den Toren führte.
Am westlichen Ufer machte die Straße eine Biegung nach Nordosten, verlief dann einige hundert Ellen gerade weiter, um schließlich wieder in einem Bogen direkt auf die Stadtmauern zuzulaufen. Die mächtigen eisengefassten Tore aus Roteiche standen offen, gut geschmierte Eisenscharniere wiesen jedoch darauf hin, dass sie schnell geschlossen werden konnten.
Wachmänner in graubrauner Lederkleidung und ärmellosen grünen Übertuniken postierten sich vor dem Tor. Jeslek und Klybel hielten an, die drei Magierschüler und die Lanzenreiter taten es ihnen gleich.
»Obermagier Jeslek, Besuch beim Vicomte von Certis«, verkündete Klybel mit tiefer Stimme; die harten Granitmauern der Stadt warfen das Echo zurück.
Der oberste Wachmann warf nervöse Blicke auf Jeslek, die zwei Magier, die drei Schüler und schließlich auch auf die Kolonne von Weißen Lanzenreitern.
»Äh … Ihr seid auf das Herzlichste willkommen, Obermagier. Ihr kennt den Weg zum Palast?«
Jeslek nickte. »Ich bin sicher, wir werden ihn finden.«
Cerryl blickte hinauf. Grün gekleidete Bogenschützen beobachteten die Besucher von den Brustwehren aus, doch keiner schien erpicht darauf zu sein, die Waffe zu erheben.
»Der Vicomte nimmt es doch sonst so genau damit, wen er in die Stadt lässt und wen nicht. Und uns lässt er ohne weiteres passieren«, bemerkte Anya.
Cerryl konnte nicht sagen, ob der Vicomte es sonst wirklich so genau nahm. Die Innenseiten seiner Oberschenkel fühlten sich auf alle Fälle wund an und jeder Muskel in seinen Beinen schien sich kurz vor einem Krampf zu befinden.
»Die meisten Herrscher in Candar handeln so«, sagte Fydel mit leiser Stimme, sodass Cerryl ihn fast nicht hören konnte.
Ein Bote in Grün sprang auf einen Grauen und galoppierte vor ihnen die Straße hinauf. Er war bereits außer Sichtweite, als Jeslek den Gardisten zunickte und dann sein Ross durch den Torbogen in die Stadt Jellico lenkte.
Häuser und Geschäfte aus gebrannten Ziegeln reihten sich an den Straßen aneinander, die breit genug waren für etwa vier Pferde, jedoch viel enger im Vergleich zu den Prachtstraßen Fairhavens. Die Gebäude waren höher – oft sah man dreistöckige Häuser – und offenbar auch älter und
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