Die Weiße Ordnung
tief durch und stellte fest, dass die Festung nicht viel besser roch als die Stadt.
Eliasar wandte sich von Jeslek ab. »Fydel und Anya, Ihr werdet in den Offiziersgemächern nächtigen, die Schüler bekommen Unteroffiziersunterkünfte.«
»Aber nicht, dass sich dadurch jemand falsche Vorstellungen von seinem Rang macht. In Certis gibt es eine große Anzahl von Offizieren«, fügte Jeslek mit einem breiten Grinsen hinzu. »Schnallt das Gepäck von den Pferden. Die Stallburschen werden sie versorgen.«
Cerryl löste gedankenverloren die Riemen um Bettrolle und Packtaschen, dann folgte er den anderen durch eine alte, schwere Tür und zwei Treppen hinauf, oben einen engen Steinflur entlang und um eine Ecke herum. Die Stiefel hallten durch den kahlen Gang.
»Dies sind Eure Räume.« Eliasar nickte zu Anya und Fydel.
»Vielen Dank, sehr freundlich von Euch«, bedankte sich Anya artig, ihre Stimme klang melodiös und angepasst. Der Ton löste bei Cerryl jedoch ein Schaudern aus, so sehr misstraute er dem lieblichen Gesäusel.
Fydel brachte nur ein kaum merkliches Nicken zu Stande.
Hinter der nächsten Ecke zeigte Eliasar auf drei Türen. »Man erwartet euch beim zweiten Glockenschlag zum Abendessen im kleinen Speisesaal. Über die Treppe am Ende des ersten Stockwerks und durch den dritten Hof gelangt man dorthin. Fragt die Wächter.«
Jeslek und Eliasar entfernten sich und Cerryl erkundete den Raum, der zwischen Kochars und Lyasas Zimmer lag. Er ließ seine Bettrolle und die Packtaschen auf den nackten Steinboden fallen und sah sich um: einige Ellen länger als seine Zelle in Fairhaven, ein einziges Fenster mit Läden davor. Ausgestattet war das Zimmer mit einer schmalen Pritsche, einem abgenutzten Schrank, einem Waschtisch mit Krug und einer Lampe auf einem Bronzeständer. Ein schwerer Türriegel lehnte hinter der Tür an der Wand.
Waren Unteroffiziere so unbeliebt, dass sie ihre Türen verriegeln mussten? Oder nur in Certis?
Nachdem sich Cerryl Hände, Gesicht, Arme und alle anderen leicht erreichbaren Körperteile gewaschen hatte, holte er Myrals Salbe hervor. Sie linderte die Schmerzen an den wunden und entzündeten Stellen. Cerryls Beine und Oberschenkel schienen sich hingegen langsam an die Strapazen zu gewöhnen.
Cerryl schüttelte den Kopf. Er konnte nicht glauben, dass er wegen des überhasteten Aufbruchs in Fairhaven den Rasierer aus Weißbronze – Leyladins Geschenk – vergessen hatte. Er bildete sich ein, er hätte ihn in eine der Packtaschen gesteckt, doch er konnte ihn nirgends finden. Das einzige richtige Geschenk, das er in den letzten Jahren bekommen hatte – und er hatte es vergessen. Ausgerechnet eines von Leyladin. Er wäre am liebsten mit dem Kopf gegen die Wand gerannt, doch damit würde er sich nur ein weiteres schmerzendes Körperteil einhandeln.
Stattdessen reinigte er mithilfe von winzigen Chaos-Partikeln seine Kleider, bevor er sie wieder anzog. Beim ersten Glockenschlag strich er ein letztes Mal die Tunika glatt.
Kochar wartete bereits im Flur, er wirkte ein wenig schmutzig und zerzaust. Seine Augen wurden groß, als er Cerryl sah. »Du … deine Kleider … so viel hattest du doch gar nicht in deinen Packtaschen.«
Cerryl lächelte. »Das ist etwas, was ich in den Kanälen gelernt habe. Ich bin sicher, du kommst auch noch dahinter.«
Lyasa gesellte sich zu ihnen und sah noch frischer aus als Cerryl. Kochar schüttelte nur den Kopf.
»Lasst uns gehen«, hallte eine vierte Stimme durch den Flur – Anya. Sie und Fydel standen am anderen Ende des Ganges. »Wir sollten den Obermagier und den Vicomte nicht warten lassen.«
Cerryl glaubte eine leichte Betonung auf dem Wort ›Obermagier‹ wahrgenommen zu haben, doch er ließ sich nichts anmerken und marschierte mit den anderen zur Treppe, wo die zwei Magier warteten.
»Habt ihr noch andere Gäste gesehen?«, fragte Kochar mit leiser Stimme, den Blick nach vorn auf Anya und Fydel gerichtet.
»Scheint ziemlich leer zu sein hier«, antwortete Cerryl mit ausdruckslosem Gesicht.
Anya drehte sich um. »Magierschüler sollten ihre Beobachtungen für sich behalten und schweigen, besonders in den Festungen fremder Herrscher.«
Kochar wurde rot. Fydel brummte etwas. Cerryl schaute einfach geradeaus.
Als Anya sich wieder der flüsternden Unterhaltung mit Fydel widmete, lächelte Lyasa Cerryl nachdenklich zu.
»Gut, dass wir jetzt hierher gekommen sind und nicht im Winter … All die Steine werden kalt …«
»Gut, dass wir hier
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