Die Weiße Ordnung
schlafen und nicht auf der Straße nächtigen müssen«, antwortete Fydel, »ganz gleich welche Jahreszeit …«
Die Wächter auf der hinteren Seite des nächsten Innenhofes nickten, als die Weißen vorbeimarschierten. Als Anya die Gruppe die Stufen hinauf anführte, konnte Cerryl im Vorbeigehen einige Worte erhaschen.
»Die vielen Weißen … bedeutet Ärger …«
Oben auf den Stufen angekommen, veränderte sich die Umgebung. Statt der nackten Steinflure öffnete sich nun eine mit rosarotem Marmor getäfelte Eingangshalle vor ihnen, Goldleisten umrahmten mehrere Porträts von Männern in grünen Uniformen zu Pferd. Die Messinglampen glänzten und leuchteten, die Gläser funkelten. Alle zehn Ellen hatte sich ein Wächter in Grün postiert. Gerüche von gebratenem Fleisch und Blumen mischten sich in der Luft.
Ein offener Bogengang am Ende des kurzen Flures führte in den Speisesaal, den Cerryl nicht als klein bezeichnen würde, denn er maß mindestens fünfzig Ellen in der Länge und fünfundzwanzig in der Breite.
Eliasar und Jeslek standen am Ende des langen Tisches und unterhielten sich mit einem jüngeren Mann, der eine auffällige grüngoldene Tunika trug. Rystryr war ein großer und breitschultriger Mann, fast so groß wie Kinowin, mit roten Wangen über einem buschigen Bart und dichtem blondem Haar. Bei den dreien am Ende des Tisches stand ein weiterer Magier in Weiß – vermutlich Shyren, der einzige Magier im Speisesaal, den Cerryl noch nicht kannte.
In einer Ecke neben dem kalten Kamin am anderen Ende des Tisches hatte sich eine Gruppe von certischen Offizieren gebildet. Sie verstummten und der Vicomte sah auf und zog die Augenbrauen hoch, als Anya Cerryl und die anderen hereinführte. »Mit solch einer Ansammlung von Magiern werden wir kaum etwas zu essen brauchen.« Rystryrs Stimme klang tief und kräftig, passte zu seinem Äußeren und er schickte den Worten ein breites Lächeln hinterher. »Willkommen in Jellico!«
»Wir danken Euch«, antwortete Jeslek. »Wie schon in der Vergangenheit zeigt Ihr Euch äußerst gastfreundlich.«
»Da alle Gäste nun zugegen sind, würde ich vorschlagen, wir fangen an.« Rystryr deutete mit einer ausholenden Handbewegung auf den Tisch.
Cerryl starrte verblüfft auf den langen Tisch. Wie nur sollte er herausfinden, wo sein Platz war?
»Sucht nach euren Namen auf den Platztafeln«, flüsterte Anya, dann lächelte sie überfreundlich und ging weiter.
Cerryls Platztafel schmückte ein Bronzerahmen, in den die kleine Statue eines Unteroffiziers eingearbeitet war. Er fand sie etwa in der Mitte des langen Walnusstisches, man hatte sie mit Kreide in der Alten Sprache beschriftet: CARRL. Jeslek und Eliasar saßen zur Rechten und Linken des Vicomte, während Shyren – ein älterer, dicker Magier – seinen Platz neben Eliasar hatte. Anya saß neben Jeslek und Fydel ihm gegenüber. Dann kam ein Offizier in Grün und Gold und neben ihm Klybel.
»Habt Ihr schon einmal mit einer Klinge gekämpft, junger Ser?«, fragte der dunkelhaarige Unteroffizier, der Cerryl gegenüber saß.
»Nur so lange, um festzustellen, dass ich ein lausiger Kämpfer bin«, gab Cerryl zu. »Ich heiße Cerryl.«
»Deltry, Unteroffizier der Vierten.«
»Slekyr, Unteroffizier der Zweiten.« Der ältere Unteroffizier, der neben Cerryl am Tisch saß, hatte bereits graue Strähnen in seinem gepflegten Bart.
»Lyasa.«
»Kochar«, schluckte der Rothaarige, der zwischen zwei weiteren Unteroffizieren Platz genommen hatte.
Nach einem Augenblick des Schweigens nahm Deltry den Krug und goss roten Wein in die Kelchgläser der Umsitzenden.
»Danke«, sagte Lyasa.
»Es ist mir ein Vergnügen, aber dafür bitte ich Euch um die Beantwortung einer Frage. Man sagt, dass ein Weißer Magier einen Soldaten töten kann, selbst wenn dieser sich mit einer Eisenklinge verteidigt«, erzählte Deltry, während er sich ein Stück Roggenbrot vom Laib abbrach und den Korb an Lyasa weiterreichte. »Wie soll das gehen, frage ich mich, besonders wenn der Soldat genug Verstand besitzt und einen Eisenschild bei sich trägt?«
Lyasa lächelte und nahm den Korb.
»Ihr lächelt, junge Magierin«, bemerkte Slekyr, sein Blick kreuzte den der dunkelhaarigen jungen Frau. »Kennt Ihr einen Magier, der kaltem Eisen gegenübergestanden und überlebt hat?«
Cerryl schlug die Augen nieder, er wusste, was nun kam.
»Ja. Cerryl dort. Zwei Männer mit Eisenklingen und Schilden griffen ihn an. Er tötete beide.«
Slekyr wandte sich
Weitere Kostenlose Bücher