Die Weiße Ordnung
Ziegelwände der Kanaltunnel und ebenso unnachgiebig. Er wusste, dass er trotz seiner Anstrengungen beim Reiten noch immer viel zu viel auf und nieder hüpfte.
Der westliche Teil von Certis gestaltete sich hügeliger, die Rapsfelder wechselten sich mit Weideland ab, wo kleine Viehherden grasten. Keine Schafe? Nun, die Weiden wirkten üppiger als jene in Montgren. Vereinzelt ragten kleine Steinhäuser zwischen den grünen Hügeln auf.
Cerryl fragte sich mittlerweile, warum sie überhaupt nach Jellico geritten waren. Sie hatten dafür einen Umweg von mehr als vier Tagen in Kauf genommen, denn nun ritten sie auf der Großen Weißen Straße weiter Richtung Gallos. In Jellico hatten sie nichts weiter getan, als zweimal dort zu übernachten, um anschließend wieder abzureisen.
Außerdem hatte er nicht die leiseste Ahnung, was Jeslek und Eliasar mit Rystryr verhandelt hatten. Wollten sie lediglich ihre magische Macht unter Beweis stellen? Ein Handelsabkommen treffen?
Cerryl zuckte die Schultern. Wer wusste es? Niemand würde es ihm verraten – das war sicher. Seine Augen wanderten über die Felder und die Straße vor ihnen. Zu beiden Seiten der Großen Weißen Straße ragten die Osthörner in den westlichen Himmel. Sogar im Spätsommer lag noch eine Schneekrone auf den Gipfeln und zur Erntezeit bemächtigte sich der Schnee bereits wieder der höher gelegenen Hänge.
Obwohl Cerryl beim Reiten schwitzte, durchfuhr ihn beim Anblick der Berge ein Schauer. Er zweifelte nicht daran, dass der Weg durch die Osthörner kalt werden würde.
»Mehr Schnee als für gewöhnlich«, bemerkte Fydel, der vor Cerryl ritt. »Es könnte ein kalter Winter werden in Candar. Manchmal wäre ein Wetter-Magier schon hilfreich.«
»Aber nicht so einer wie der verfluchte Creslin, nein danke«, entgegnete Anya.
»Megaera war auch rothaarig.« Fydel lachte. »Vielleicht seid Ihr ein später Nachfahre.«
Feuer loderte aus Anyas Fingerspitzen, so lang wie eine Lanze. »Möchtet Ihr sehen, was ich vielleicht noch von ihr geerbt habe, lieber Fydel?«
Cerryl konnte spüren, dass Fydel seine Ordnungs-Schilde aufstellte, er erkannte auch, dass die Schilde des langbärtigen Magiers keineswegs stark genug waren, um die Macht abzuwehren, die um Anya erwuchs. Er schluckte. Wusste Faltar, welche Macht Anya besaß?
»Ich denke, der Obermagier wäre nicht sehr erfreut, wenn wir uns gegenseitig mit Chaos-Feuer bewürfen.« Fydels Stimme klang spitz.
»Der Obermagier wird Eure Chaos-Kräfte schon zu verwerten wissen, Anya.« Jeslek drehte sich im Sattel um, seine Stimme klang milde, aber die sonnengoldenen Augen brannten. »Und auch Eure anderen Talente.«
Anya lächelte, noch strahlender als sonst und noch heuchlerischer. Die Chaos-Feuerlanze war verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. »Stets zu Euren Diensten, edler Jeslek.«
»Gut. Und ich hoffe, Ihr alle gebraucht Eure Sinne, um die Straße zu studieren.« Jeslek wuchtete sich herum und nahm die Unterhaltung mit Klybel wieder auf.
Lyasa hüstelte und Cerryl sah zu ihr hinüber. Die schwarzhaarige Schülerin hob die Finger so wie Anya, dann zog sie die Augenbrauen hoch und flüsterte ganz leise: »Hast du das gesehen?«
Cerryl nickte.
»Wovon sprecht ihr?«, mischte sich Kochar ein.
»Über den Schnee«, antwortete Cerryl, er hatte das erste Wort genannt, das ihm eingefallen war und das einigermaßen Sinn ergab. »Fydel meint, dass es einen kalten Winter geben wird, weil schon so viel Schnee dort oben liegt. Lyasa wollte wissen, ob ich gesehen habe, wo er hingezeigt hatte.«
»Oh …«
»Ich fühle, dass es bald kälter werden wird.«
»Das ist mir ganz recht«, meinte Kochar dazu. »Mir ist das kalte Wetter ohnehin lieber.«
Cerryl war sich dessen nicht so sicher, obwohl sein Gesicht von der Sonne verbrannt war. Seine Beine schmerzten und die Muskeln hatten sich so sehr verkrampft, dass er die ersten Augenblicke nach dem Absteigen bestimmt wieder kaum stehen konnte.
»Du hast die Kälte in den Bergen noch nicht erlebt«, fügte Lyasa hinzu.
Darauf war Cerryl auch nicht sonderlich erpicht, er erinnerte sich an die Winter, als er noch bei Dylert in der Mühle gearbeitet hatte. Wieder verlagerte er das Gewicht im Sattel, sein Blick fiel erneut auf die Osthörner und dann auf den kurzen Schatten, den der Braune auf die harten weißen Granitsteine der Straße warf. Erst kurz nach Mittag, das bedeutete, sie hatten noch einen langen Ritt vor sich.
Cerryl holte tief Luft und versuchte, etwas
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