Die Weiße Ordnung
sich wie ein Pfeil in den Lanzenreiter, er wurde aus dem Sattel und zu Boden geschleudert und sein totes Gesicht blickte Cerryl verblüfft an.
Cerryl schaute sich um. Die Straße war nun leer bis auf eine Hand voll keuchende Weiße Lanzenreiter hier und da, die Magier und die Aschehäufchen, die einst Menschen und Pferde gewesen waren.
Lyasa stellte sich neben Cerryl und starrte auf das ebenmäßige kreisrunde Loch in dem ledernen Brustpanzer des Gallers. Sie schaute Cerryl an, dann verbrannte sie den Oberkörper des Mannes mit einem kleinen Feuerball.
»Warum …« Cerryl fragte nicht weiter.
»Es ist besser so.«
»Danke.«
Lyasa lächelte. »Die Zeit wird kommen …«
Cerryl nickte. Er würde seine Schulden bezahlen.
Sie drehten sich um. Der Hügel bestand nur noch aus rauchenden, dunklen Haufen. Im Westen sah Cerryl eine Hand voll Soldaten in Purpur davonschleichen. Auf dem Grat selbst verblieben nur noch die Weißen Lanzenreiter – etwa zwei Drittel der ursprünglichen Anzahl.
Jeslek saß erschöpft auf der Straßenmauer, sein Gesicht war so rot, dass Cerryl ihn noch aus hundert Ellen Entfernung leuchten sah. Anya saß neben dem Obermagier mit dem Rücken zu Cerryl und Lyasa.
Kochar kam zu den beiden Magierschülern und starrte auf den verkohlten Leichnam des letzten feindlichen Lanzenreiters. »Oh, du hast ihn tatsächlich aufgehalten.«
»Ich nicht allein«, sagte Cerryl. »Ich benötigte Lyasas Hilfe dazu.«
»Zumindest gibt er es zu …« Fydels Worte drangen mit dem Wind und dem Rauch aus dem brennenden Gras und Gestrüpp an Cerryls Ohr. Der bärtige Magier hatte sich ebenfalls auf der Mauer niedergelassen, er saß vornüber gebeugt da, den Kopf in die Hände gestützt.
Cerryl schluckte, der Gestank von schwelendem Gestrüpp und verbranntem Fleisch bereitete ihm starke Übelkeit. Was und wie viel würde er noch verbergen müssen, um überleben zu können?
»Schauen wir uns den Arm an«, forderte Lyasa.
Cerryl starrte auf seine Arme, erst auf den einen, dann auf den anderen. Die Ärmel der Tunika waren verschmiert mit Dreck, Ruß und Schlamm, aber er konnte keine Verletzung feststellen. Er kam sich dumm vor, als er bemerkte, dass es Kochar erwischt hatte, und er beobachtete, wie Lyasa die tiefe Schramme sanft in Chaos badete – eine von Brokas Techniken, so erinnerte sich Cerryl – und sie anschließend verband.
Um die drei herum begannen die Lanzenreiter damit, die Leichen nach Waffen und Geld zu durchsuchen.
Cerryl schaute den letzten Lanzenreiter an, den er getötet hatte.
»Na los«, sagte Lyasa. »Seine Börse gehört dir.«
Nur zögernd schnitt Cerryl die Lederriemen durch und nahm die Börse an sich, sie war nur leicht verrußt. Zwei Silberstücke und drei Kupferlinge befanden sich darin. War das der Wert eines Menschenlebens?
Er legte die Münzen in seine eigene Börse und schüttelte nachdenklich den Kopf. Dann sah er auf. Der Nachmittag hatte bereits begonnen.
Hinter ihm stand Fydel mühsam auf und ging zu Jeslek und Anya hinüber.
»Das verstehe ich nicht.« Kochar betastete den Verband um seinen Arm. »Jeslek – er kann Berge wachsen lassen, aber die Galler hätten uns beinahe erledigt.«
»Das ist ganz einfach.« Lyasa seufzte. »Chaos-Feuer ist pures Chaos – gebündeltes Chaos. Es strengt mehr an. Wenn Jeslek Hügel wachsen lässt, bewegt und lenkt er eine große Menge an Chaos im Boden, das dort schon vorhanden ist. Wenn du einen Feuerball wirfst, musst du das Chaos von der übrigen Welt trennen und es in eine Richtung lenken. Das ist schwieriger.« Sie schaute Kochar an. »Wie fühlst du dich jetzt?«
»Wie ein zermatschter Pferdeapfel«, gab der Rotschopf zu.
»Seht euch die drei an.« Lyasa zeigte auf die Straßenmauer, wo die Magier saßen und sich leise unterhielten. »Ich könnte jetzt nicht einmal ein Chaos-Feuer von der Größe meines Fingernagels erzeugen. Ich wette, sie sind ebenso wenig dazu in der Lage.«
Cerryl sagte nichts dazu, er nickte nur. »Vielleicht sollten wir zu ihnen gehen.«
Die anderen zwei marschierten neben ihm her, als sie zu dritt auf die drei älteren Magier zugingen.
XCVI
I m Grau der Morgendämmerung spülte Cerryl Käse und Trockenkekse mit einem Schluck Wasser hinunter. Dann ging er zum Wassergraben neben der Straße, der ein dünnes Rinnsal führte, und füllte seine Flasche wieder auf. Er lenkte so lange so viel Chaos-Wärme ins Wasser, bis es siedete. Die Wärme zu erzeugen war nicht sonderlich schwierig, die
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