Die Weiße Ordnung
Ludren wieder, so wie alle paar Meilen.
»Keine Menschenseele weit und breit«, antwortete Cerryl darauf. Das einzige Lebewesen außer ihnen war eine schwarze Aaskrähe, die vor ihnen herflog und manchmal auf sie wartete. Wenn sie dann an ihr vorübergezogen waren, flog sie weiter; entweder suchte sie nach Abfällen oder wartete, ob einer aus der Truppe, ganz gleich ob Mensch oder Tier, umfiel und starb.
In einiger Entfernung vor ihnen entdeckte Cerryl einen Weg, der die Große Straße kreuzte. Als sie die Kreuzung erreichten, fand er einen Wegweiser mit zwei Pfeilen vor. Einer deutete nach Süden und war mit T ELLURA beschriftet – einer der Namen, die dazu beigetragen hatten, dass er die Karte hatte zeichnen müssen. Der Pfeil nach Norden wies den Weg nach Fenard.
»Nach Fenard.« Cerryl lenkte den Braunen von der Großen Weißen Straße auf den gestampften Lehmweg, der einige Hufspuren aufwies – wenngleich diese nicht aus neuerer Zeit zu stammen schienen.
»Ab hier könnte es gefährlich werden, Ser«, warnte Ludren.
»Glaubt Ihr, die Galler lauern uns an einer Seitenstraße so weit von Fenard entfernt auf?« Cerryl hegte erhebliche Zweifel daran. Etwas näher an der Hauptstadt könnten sie schon eher an eine Kompanie Soldaten geraten. Könnten? Er musste ein Lachen unterdrücken, denn Ludren hätte es falsch aufgefasst.
Ludren runzelte die Stirn, dann nickte er langsam. »Vielleicht habt Ihr Recht, Ser.«
»Ich weiß nicht. Ich habe so etwas noch nie gemacht«, sagte Cerryl, den sein Brauner auf der engen gestampften Straße brav vorantrug. »Ich nehme an, dass die überlebenden Soldaten nach Fenard zurückgeritten sind, um dem Präfekten von der Schlacht zu berichten.«
»Sei es, wie es sein mag, wir werden mit Sicherheit nicht gerade willkommen sein.«
»Nein.« Und dabei handelte es sich gewiss noch um eine Untertreibung. Es war klar, dass Jeslek Cerryl eine beinahe unlösbare Aufgabe gestellt hatte, zweifellos in der Hoffnung, dass er, Cerryl, dabei umkommen würde. Auch nach mehr als einem Tag auf dem Pferderücken hatte Cerryl noch keine Vorstellung, wie er nach Fenard selbst gelangen konnte, geschweige denn, wie er den Präfekten töten und anschließend entkommen sollte.
Zu seiner Überraschung machte ihm der Gedanke an den Tod des Präfekten am wenigsten zu schaffen. Er hatte schon einiges von dem Mann gehört und das war wenig erfreulich gewesen. Aber was, wenn Lyam gar nicht diesen Gerüchten entsprach?
Cerryl blickte über die Schulter zu den Weißen Lanzenreitern. Die zwei unmittelbar hinter ihm – Jubuul und Zusta hießen sie wohl – ritten schweigend und niedergeschlagen dahin. Der junge Magier fragte sich, was sie wohl angestellt hatten, dass Klybel und Jeslek sie auf diese Mission geschickt hatten.
»Ludren?«
»Ja, Ser?«
»Was hat man Euch erzählt über diese Eskorte nach Fenard?«
»Nun … Ser … ich kann nicht behaupten, dass man mir besonders viel erzählt hat. Der Hauptmann befahl, dass ich Euch dorthin bringe, und danach sollen wir versuchen, die Haupttruppe auf der Großen Straße einzuholen. Wenn wir das nicht schaffen, werden wir sie in den südlichen Kasernen treffen.«
»Ihr sollt dem Magier Sverlik keine Botschaft oder sonst etwas übermitteln oder vielleicht etwas mit zurück nach Fairhaven nehmen?«
»Nein, Ser. Wir sollen nur Euch zum Palast des Präfekten geleiten und dann zurückkehren.«
Cerryl nickte. »Wie lange seid Ihr schon bei den Lanzenreitern?«
»Beinahe zehn Jahre, Ser. Ich bin froh, dass mir der Hauptmann und der Obermagier diese Aufgabe übertragen haben. Sonst hätte es vielleicht noch zehn Jahre gedauert, bis ich Offizier geworden wäre. Deshalb trage ich auch nur einen Streifen an meiner Tunika – nur das Abzeichen der Truppe.«
»Es dauert wohl eine Weile, bis man in der Garde aufsteigt.«
»Kommt darauf an, Ser. Huylar brachte es in sechs Jahren zum Unteroffizier, er war aber auch beim Sligan-Feldzug dabei – damals, als sie den Aufstand der Holzarbeiter und Holzhändler niedergeschlagen haben, die sich der Bruderschaft widersetzen wollten. Um aufzusteigen, Ser, braucht man Zeit oder eine günstige Gelegenheit.«
Der Sligan-Feldzug? »Wann war das?«
»Vor drei, vier Jahren, Ser. Huylar ist schon länger dabei als ich.«
»Wart Ihr auch bei diesem Feldzug dabei?«
»Ich, Ser? Nein. Ich gehörte damals zur Garde des Magiers in Hydolar, so wie jetzt Viurat in Fenard.«
»Ich kenne Viurat nicht«, sagte Cerryl freundlich, die
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