Die Weiße Ordnung
Händler auf dem Kutschbock zu, als er seinen Braunen um den langen, vierspännigen Wagen herumlenkte.
»Guten Tag, junger Ser.« Der graubärtige, gepflegte Mann in Grün, der die Zügel nur mit der rechten Hand hielt, nickte freundlich. »Wird es bald regnen, was glaubt Ihr?«
Der Wächter neben dem Händler grinste.
Cerryl warf einen Blick auf den wolkenverhangenen Himmel über ihnen und versuchte, sich ins Wetter hineinzufühlen. Er konnte das peitschende Chaos und die schwarzen Ordnungs-Linien zwischen den grauen Wolken spüren, weil sie so niedrig hingen. »Nicht gleich, aber in Bälde.«
»Dunkelheit … hatte gehofft, wir würden weiter kommen.«
Cerryl warf einen Blick auf den zugedeckten Wagen. »Was habt Ihr geladen?«
»Teppiche hauptsächlich und einige Wandbehänge – erstklassige Ware aus Sarronnyn. Das bekommt man heutzutage nur noch schwer. War früher viel einfacher, bevor der Präfekt und diese Händler in Spidlar sich einbildeten, sie seien gescheiter als alle anderen in Candar.« Der Händler spuckte zur Seite aus. »Seid Ihr in Fairhaven zu Hause? Auf dem Rückweg?«
Höflichkeitshalber zügelte Cerryl sein Pferd und ritt neben dem Wagen her. »Ja.« Fairhaven war sein Zuhause, mehr als jeder andere Ort der Welt, trotz Jeslek und seinen Ränken mit Sterol. In Fairhaven lebten auch Myral, Lyasa, Faltar und Heralt und natürlich Leyladin, sie alle gehörten zu seiner Familie, nun da Tante Nall und Onkel Syodor gestorben waren – aus Gründen, die Cerryl immer noch nicht durchschaute. Vielleicht willst du ja, dass Leyladin mehr ist als nur ein Teil deiner Familie … »Fairhaven ist mein Zuhause.«
»Muss schon einen Achttag her sein, vielleicht nicht ganz, da habe ich einen Haufen Lanzenreiter und Magier zurückreiten sehen. Einer der Soldaten hat erzählt, dass sie eine große gallische Streitmacht besiegt hätten. Glaubt Ihr, er hat die Wahrheit gesagt?«
»Das hat er.« Cerryl lächelte. »Ich war selbst dabei. Ich musste nur noch etwas anderes vor meiner Rückkehr erledigen.«
»Vielleicht ist das dem Präfekten eine Lehre, nicht mehr so eigenmächtig zu handeln.« Der graubärtige Händler lachte. »Manche allerdings lernen es nie. Ich will Euch aber nicht länger aufhalten, junger Magier. Eine gute Reise.«
»Danke.« Cerryl trieb seinen Braunen weiter, immer weiter nach Fairhaven.
Die Abschiedsworte des Händlers gingen ihm nicht mehr aus dem Sinn. »Manche allerdings lernen es nie … lernen es nie …«
Aber wer konnte ihm erklären, was Lernen eigentlich bedeutete? Cerryl hatte schon so oft erlebt, dass die Menschen einem nur ihre Sichtweise aufzwingen wollten, wenn sie von »Lernen« sprachen. Myral bildete da vielleicht eine Ausnahme und auch Dylert … und hoffentlich Leyladin.
CIII
A nstatt die Hauptstraße zu nehmen, ritt Cerryl durch eine kleine Seitenstraße bis zu den Ställen an der Westseite der Gildehallen der Magier. Er hatte die letzte Nacht noch vor den Toren Fairhavens verbracht, denn er wollte ausgeruht sein und auch Myral sollte noch die Gelegenheit erhalten, sich vor ihrem Wiedersehen auszuschlafen. Sollte sich die Gelegenheit bieten, so spräche Cerryl vor seinem Besuch bei Sterol noch gern mit Myral – und besonders vor einem Treffen mit Jeslek. Nicht dass er auf Jesleks Anblick sonderlich erpicht gewesen wäre, doch früher oder später würde er nicht umhin können.
Der Herbstwind blies zwar kühl aus dem leicht bewölkten Himmel, jedoch nicht kalt und kam in leichten Windstößen daher. Cerryls Blick fiel auf ein Bronzegitter auf der Straßenseite und er verzog das Gesicht bei dem Gedanken an die lange Zeit, die er in den Kanälen zugebracht hatte. Während er tief einatmete, verglich er Fairhaven mit Fenard – aber es gab keine echten Vergleichspunkte.
In Fenard stank es nach Kloake, Rauch und Dreck; Fairhaven dagegen duftete nach sauberem Granit, Bäumen, Gras und manchmal auch nach Gebratenem oder Gekochtem – oder nach Parfüm. In Fenard waren die Häuser schmutzig und standen auf engstem Raum zusammen. Fairhavens Steinhäuser dagegen standen fest und sauber nebeneinander und ließen den Menschen genügend Platz zum Atmen. In Fenard gab es offene Abwassergräben, hungernde, heimatlose Kinder und Straßenräuber. In Fairhaven mochte es wohl einige wenige Bettler und Schmuggler geben, doch mit Sicherheit waren Raufereien und Hunger nicht so verbreitet wie in Fenard. Und in Fairhaven lebte Leyladin. In Fenard gab es keinen
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