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Die Weiße Ordnung

Titel: Die Weiße Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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nicht allein mit seinem Reichtum in Fairhaven, Cerryl. Beileibe nicht.«
    Der Lehrling fragte sich, wie wohl die Häuser der anderen wohlhabenden Bürger aussehen mochten.
    »Bring mir eine Tasse von dem gelben Tee, den Beryal aufgesetzt hat.«
    »Ja, Ser.« Cerryl ging in die Küche.
    »Gelber Tee … gelber Tee …«, murmelte Tellis hinter Cerryl. »Dunkelheit … wie ich dieses Zeug hasse …«
    Beryal sah vom Küchentisch auf, wo sie eine dampfende Flüssigkeit aus dem Kessel in eine Tasse goss. »Du bist schon zurück?«
    »Ich musste nicht lange warten. Tellis schickt mich, um den Tee zu holen.« Cerryls Augen wanderten durch den Wohnraum, sauber und einfach – und sehr klein. Wirklich sehr einfach.
    »Dieser Dickkopf«, sagte Beryal und reichte Cerryl die Tasse. »Bleibt einfach nicht im Bett. Nein … muss unbedingt aufstehen und uns mit seiner Krankheit belästigen.«
    »Er sieht nicht gut aus.«
    »Alle, die den doppelt starken Met gestern Nacht im Gasthof Zum Sattel getrunken haben, werden so aussehen wie er. Benthann kann noch nicht mal den Kopf aus den Kissen heben.« Beryal runzelte die Stirn. »Bring dem Meister seinen gelben Tee.«
    Cerryl ging mit der Tasse zurück ins Arbeitszimmer.
    Tellis nahm sie wortlos entgegen.
    Cerryl schärfte den Federkiel, rührte die Tinte um und stellte Die Wissenschaft der Messung und Berechnung auf den Vorlagenhalter; beim Lesezeichen schlug er das Buch auf. Vor seinem inneren Auge sah er noch immer den polierten Marmor und die schimmernden Wandbehänge, das dunkelrote Kleid … und auch den dunkelblauen Samt und das makellose Seidenhemd, das Muneat getragen hatte. Cerryl wusste aus den Gesprächen mit Pattera, dass die Seide allein schon ein Goldstück kostete. In seinem ganzen bisherigen Leben hatte er noch nicht einmal die Hälfte davon auf einem Haufen gesehen.
    Er holte tief Luft. Das Gegebene war nicht zu ändern. Noch nicht, und vielleicht auch in Zukunft nicht. Er tauchte die Feder in die Tinte. Aber du kannst mehr werden als ein Schreiber … du kannst es!
    Am Arbeitstisch schlürfte Tellis den bitteren gelben Tee.

 
XXXVII
     
    C erryl tauchte die Feder ins Tintenfass und fuhr fort, die Seite vor ihm abzuschreiben. Er versuchte sich auf die Worte zu konzentrieren und auf die Form der Buchstaben, doch er wusste, ganz gleich wie sehr seine Buchstaben auch denen auf der Vorlage ähnelten, Tellis würde irgendetwas finden, das sich noch verbessern ließe. Manchmal lobte der Schreiber Cerryls Handschrift über den grünen Klee; dann wieder mäkelte er an den Buchstaben herum oder er beschwerte sich, wie schlecht es einem guten Schreiber doch erging und was man alles beherrschen musste in diesem Beruf.
    Der Schreiberlehrling hielt seufzend inne. Zu viele Seufzer jedoch, so hatte er entdeckt, lösten unwillkommene Fragen aus. Seine Augen hefteten sich wieder auf das Buch auf dem Vorlagenhalter.
     
    … die Innenseite der Rinde der Flussweide wird abgeschabt und getrocknet, bis sie hart und steif ist. Dann wird sie mit Mörser und Pistill aus poliertem Hartholz zu feinstem Puder zerstoßen …
     
    Wieso senkte zerstoßene Weidenrinde Chaos-Fieber? Wer hatte das entdeckt? Trotz all der Bücher, die Tellis ihm zu lesen gegeben hatte, glaubte Cerryl nun weniger zu wissen als vor einer Jahreszeit, bevor er nach Fairhaven gekommen war. Jedes neue Buch warf mehr Fragen auf, als es zu beantworten vermochte.
    Beim Geräusch der sich öffnenden Vordertür schreckte Tellis auf und fiel beinahe in den Abfalleimer hinter ihm. Er verließ den Spannrahmen und hastete an Cerryl vorbei in den Ausstellungsraum.
    »Du schreibst weiter an dem Kräuterbuch«, rief der Meisterschreiber noch über die Schulter und eilte hinaus.
    Pflanzen und Kräuter mochten beim Heilen nützlich sein, bestimmt nützlicher als die Worte über irgendwelche Messungen, so überlegte Cerryl, aber Kräuter schienen bei der Steuerung von Chaos keine Rolle zu spielen. Er runzelte die Stirn und dachte darüber nach, wie es gewesen war, als er das Waschwasser erwärmt hatte. Vermochte die zerstoßene Weidenrinde die Hitze in seinem Körper und auch die Kopfschmerzen zu mildern, die ihm bei der Anwendung von Chaos immer plagten?
    Beim Aufblitzen einer weißen Säule im Ausstellungsraum zuckte Cerryl zusammen und spitzte die Ohren.
    »… wie kann ich Euch dienen, Ser? Vielleicht mit einem der Geschichtsbücher …?«
    Die Antwort wurde so leise gesprochen, dass Cerryl die Worte nicht verstand.
    »Ah, ja …

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