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Die Weiße Ordnung

Titel: Die Weiße Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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dann komme ohne die Rinde nach Hause.«
    »Ja, Ser.« Cerryl nahm das Geld und verstaute es in seiner eigenen Börse zusammen mit den drei Kupferlingen, die ihm gehörten.
    »Sag ihm, was ich soeben zu dir gesagt habe.« Tellis rutschte auf dem Hocker nach vorn. »Es gibt keine größeren Gauner als Apotheker … das sagst du ihm aber nicht. Und jetzt hinaus mit dir.«
    »Ja, Ser.«
    In kürzester Zeit hatte Cerryl seine gute Tunika übergezogen – die er nur für Botengänge und zum Feiertagsmahl trug – und sprang hinaus in den Frühlingsnachmittag. Es war warm, obwohl sich die Kühle des Winters noch nicht restlos verzogen hatte, und grau; bestimmt würde es noch vor dem Abend regnen. Cerryl hoffte, dass der Regen nicht zu lange andauern und nicht zu heftig würde; er konnte gut auf die damit verbundenen Kopfschmerzen verzichten.
    Er ging die Gasse der niederen Handwerker entlang und nach ein paar Dutzend Schritten warf er einen Blick in Patteras Fenster, das wie gewöhnlich nur angelehnt stand. Nur ihr Vater saß am Webstuhl. Seine Augen trafen Cerryls.
    »Du!«
    Die Stimme klang gebieterisch und spitz, die Worte kamen von hinten und Cerryl blieb stehen. Wer konnte etwas von ihm wollen? Sprach jemand mit dem Webermeister?
    »Du da in der blauen Tunika … ich meine dich.«
    Cerryl drehte sich um … und schluckte, als er die weiße Tunika und die weiße Hose sah. Fast augenblicklich verbeugte er sich. »Ich habe Euch nicht bemerkt … entschuldigt, Ser …«
    »Das stimmt.« Ein melodisches Lachen folgte – ein Lachen, das jedoch so hart klang, dass Cerryl schaudern wollte, und noch mehr, als er bemerkte, dass es sich um eine Frau handelte. Eine anziehende Gestalt mit flammend roten Haaren stand vor ihm; ihre Augen durchbohrten ihn und schienen alle Farben gleichzeitig zu enthalten und doch keine einzige. Ein dezenter Geruch von … vermutlich Sandelholz wehte zu ihm herüber.
    Cerryl verbeugte sich noch einmal, sagte jedoch nichts.
    »Lebst du hier, Bursche?«
    »Ja, Ser. Ich bin Tellis’ Lehrling.«
    »Der Schreiber?« Sie lachte wieder. »Sehr interessant. Beherrschst du die Buchstaben?«
    »Ja, Ser.« Wie könnte ein Schreiberlehrling die Buchstaben nicht kennen? Aber Cerryl schwieg.
    »Beide Sprachen?«
    »Die Tempelsprache ist mir nicht so geläufig wie die wahre Alte Sprache«, musste er zugeben.
    »Die wahre Alte Sprache«, wiederholte die Magierin. »Und du meinst auch, was du sagst. Wird immer besser. Wie heißt du?«
    »Cerryl, Ser.« Cerryl hatte Mühe, seine Stimme ruhig klingen zu lassen, er fühlte sich, als unterzöge er sich gerade einer Prüfung, einer gefährlichen Prüfung; er wusste jedoch nicht, was oder warum geprüft wurde.
    »Cerryl, der Schreiberlehrling …« Sie lachte noch melodischer als zuvor. »Lern weiterhin deine Buchstaben und alles, was du sonst noch lernen kannst. Vielleicht reicht es.« Sie hielt inne und ihre Stimme wurde härter. »Du kannst deinen Botengang fortsetzen oder wohin dich dein Meister auch immer geschickt hat.«
    Cerryl nahm sich so gut es ging zusammen und verbeugte sich.
    »Geh.«
    »Ja, Ser.« Er verbeugte sich nochmals, drehte sich um und lief weiter zu Nivors Apotheke.
    Eine Frau in Weiß – sie war mit Sicherheit eine Magierin und nicht viel älter als Cerryl. Er schauderte und rief sich die kalten Augen in Erinnerung, die bei jedem Wort und bei jedem Lachen die Farbe gewechselt hatten. Er wollte gar nicht so genau wissen, was sie mit der Aussage gemeint hatte, dass sein Lernen vielleicht ausreichen würde. Ausreichen für was?
    Er schauderte, obwohl er es unterdrücken wollte. Es ging etwas vor in Fairhaven, das nur wenige sahen. Die kurze Begegnung mit Meister Muneat hatte ihm die eine Seite gezeigt, doch das war noch nicht alles gewesen. Obwohl er nicht viel sah von der versteckten Macht des Chaos, so fühlte er sie doch, im Gegensatz zu der Macht des Goldes der Händler. Das versteckte Chaos verursachte ein Schaudern – das Gold nicht.

 
XXXVIII
     
    C erryl lag unter der dünnen Decke und seiner Lederjacke auf dem Rücken, er fror zwar nicht, aber es war ihm auch nicht richtig warm. Seine Augen blickten zur Zimmerdecke, seine Gedanken jedoch reichten weit über die Kammer hinaus.
    Tellis besaß den vollständigen Band der Farben der Weiße, beide Teile, auch den Teil, der bei seinem eigenen Exemplar fehlte. Der Schreiberlehrling drehte sich zur Seite und zog die Beine an, sodass er zu einem Knäuel zusammengerollt dalag. Er versuchte

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